Knabe erst ein Jahr alt war, und hiermit begann der Kampf ums Dasein. Entgegengesetzt dem Wunsche der Familie trat Tadema nicht in die Fußtapfen seines Vaters, sondern schlug die künstlerische Laufbahn ein und genoß zunächst seine Ausbildung unter Wappers in Antwerpen, der die von Baron Leys folgte. 1870 nach dem Tode seiner ersten Gattin siedelte er nach London über, heiratete daselbst Miß Laura Epps († 1909), wurde naturalisierter Engländer, Mitglied der Akadmie, und ihm, nach seinem im vorigen Jahre in Wiesbaden erfolgten Dahinscheiden, die hohe posthume Ehre der Beisetzung in der St. Pauls-Kathedrale erwiesen.
Alma Tadema war mehr erfindungsreich als von Phantasie beseelt. Ihm fehlte der eigentliche romantische Geist, den z. B. der Dichter Keats entwickelte, als er eine altgriechische Urne auffand. Die tiefsten inneren Bewegungen des Menschen gelangen bei dem Künstler nur selten zum Ausdruck, wie unter andern ausnahmsweise in dem Bilde »Der Tod des Erstgebornen«, dagegen besaß er außerordentliche technische Fähigkeiten in der Wiedergabe des verschiedensten Materials wie Marmor, Metalle und Stoffe. Er war peinlich sorgsam in der Farbenmischung, und kein moderner Maler weniger zu Experimenten geneigt. Alle seine Farben haben sich vorzüglich erhalten!
Schon aus dem Jahre 1856 sehen wir hier Studien in Architektur, der dann die Werke aus der römischen Epoche folgen, so besonders erwähnenswert: »Tarquinius Superbus«, »Claudius«, »Eine Audienz bei Agrippa«, »Die Rosen des Heliogabalus«, »Das Trepidarium«, »Der Kunstliebhaber«, »Der pyrrhische Tanz«, »Eine römische Bildergalerie«, »Das Fest der Pomona«, »Ein römischer Schreiber«, »Ave Caesar«, »Caracalla und Geta« und »Ein römisches Atelier«, sämtlich Arbeiten, die das alte Rom rekonstruieren sollen. Ob bei einzelnen dieser Gemälde der ungeheure Aufwand an Zeit, Mühe und technischer Vollenduug im richtigen Verhältnis zum Erreichten steht, bleibt fraglich! Jedenfalls besitzen diejenigen Bilder den höchsten künstlerischen Wert, in welchen die dargestellten antiken Szenen in das Gewand des »Genres« gekleidet wurden. Aus der Periode, in der Tadema sich mit den Merovingern beschäftigt, ist wohl als sein bedeutendstes Werk »Clotilde am Grabe ihrer Enkel« anzusehen. Der Meister hält sich hier an den Text von Gregors von Tour Schriften, sowie literarisch an Guizot und Augustin Thierry.
Nachdem Rom, Griechenland (die Frauen von Amphissa. Nr. 198) und das fränkische Reich dem Künstler den Stoff für seine Arbeiten genugsam gewährt hatten, zog ihn von den Völkern und Ländern der alten Welt Ägypten unwiderstehlich an. Als erfolgreichstes Resultat seiner dortigen Tätigkeit bemerken wir in der Ausstellung sein ebenso bekanntes wie vollendetes Meisterwerk »Die Auffindung Moses«, in welcher die Darstellung in anmutigster Weise nach »Exodus« II, 6, ausgeführt wurde. Die Figuren sind mit der szenischen Umgebung in vorzüglichem Einklang verbunden, die landschaftliche Schönheit und besonders die ägyptische Atmosphäre wunderbar treffend zum Ausdruck gebracht.
Gelegentlich kommt der Meister gegen Ende seiner Laufbahn auch wieder auf frühere Epochen zurück, indem er zweite und dritte Versionen von vorhandenen Gemälden anfertigt oder z. B. neu die entzückende römische Liebesszene, betitelt »Die Frage« herstellt. Ebenfalls will ich nicht unterlassen, wenigstens das Gemälde »Erwartungund das dem Könige gehörige Werk »Viel Glück« zu ererwähnen. Außer diesen Kategorien von Arbeiten Alma Tademas befinden sich auf der Ausstellung auch eine Reihe von ihm geschaffener Porträts, so namentlich Familien
bildnisse, seine Töchter als Kinder, die gleichfalls dem Beruf des Vaters als Künstlerinnen folgten, ferner mehrere Charakterstudien, sowie endlich die Porträts von F. D. Millet, Paderewski, Sir Felix Semon und Lady Semon, der holländische Geistliche A. van Scheltema und Miß Mac Whirter, die Tochter des Landschaftsmalers und Freundes von Tadema. In diesen Werken zeigt er sich als ein treuer Schüler und Nachfolger Terborchs und Metsus mit dem gleichen Verständnis für das menschliche Gesicht, dasselbe mikroskopische Gefühl für Harmonie der Umgebung und eigentümlicher Sonderstimmungen. Wenn er unsere Zeit nicht darstellte, wie jene es mit ihrer Epoche taten, so liegt eben der Grund darin, daß er eine durch nichts zu besiegende Vorliebe für das Altertum besaß, die sein Innerstes vollständig beherrschte, und jede andere künstlerische Empfindung in die zweite Linie rückte. Ohne diese aber hätte er stark an Schaffenslust eingebüßt und würde nicht das geworden sein, was er schließlich war! Unter den vielen ihm gewordenen Auszeichnungen befindet sich auch der preußische Orden »Pour le mérite für Kunst und Wissenschaft«. Eine wohlgelungene und charakteristische Porträtbüste des Meisers, von der Hand des verstorbenen Bildhauers Onslow Ford ausgeführt, wurde in der Galerie III der Königlichen Akademie ausgestellt.
In der »Leicester Gallery« ist zurzeit eine erhebliche Sammlung von Werken des leider früh verstorbenen Malers Charles Conder ausgestellt, der in England den Beinamen »Meister des Fächers« führte. Welcher Unterschied mit Tadema, wenn beide das gleiche Thema behandeln, so z. B. eine arkadische Szene! Während Tadema im klassischen Stil archäologische Treue mit realistischen Details verbindet, stellt Conder eine phantasievolle, idyllische Schäferszene in der Manier Watteaus, in Aquarellfarben auf Seide gemalt, dar. Auch in größeren Gemälden zeigt sich der fundamentale Gegensatz der beiden Künstler ganz augenscheinlich. Conders Bild betitelt »Imperia«, zeigt uns mit seinen Renaissance-Kostümen nicht etwa eine bestimmte historische Figur oder Kaiserin, sondern eine auf einem Ruhebette liegende, entblößte Frau aus der Dekadence der römischen Kaiserzeit, die rein als Typus gedacht, ebensogut Messalina heißen könnte. Am besten in gegensätzlicher Beziehung läßt sich hiermit Tademas »Heliogabalus« vergleichen, ein Bild, das ein wirklich stattgehabtes Ereignis aus dem römischen Leben herausgreift. Es stellt ein Fest dar, in welchem plötzlich das über den Gästen ausgebreitete Zelt sich löst und ein Regen in Form von Rosen auf letztere herabfällt. Die innere Bewegung über diesen Blumenschauer bleibt bei den Gästen so gering, daß man sie für korrekte Gentlemen und wohlerzogene Ladies halten könnte. Von anderen hübschen und interessanten Bilder Conders, nenne ich noch ländliche Sujets, die aber sämtlich als Transkriptionen der landschaftlichen Natur Englands und Frankreichs gelten müssen.
O. v. Schleinitz.
Jean Louis Forain. Im Pavillon Marsan des Louvre, wo die Union des Arts décoratifs ihr sehr interessantes kunstgewerbliches Museum eingerichtet hat und alle paar Monate eine sehenswerte Ausstellung veranstaltet, bietet sich jetzt die beste Gelegenheit, den bekannten Zeichner Forain nach allen Seiten hin kennen zu lernen. Außer mehreren hundert seiner Zeichnungen hängen da zehn oder zwölf Bildnisse, ebenso viele dekorative Wandbilder, einige Landschaften und sonst noch einige dreißig oder vierzig Malereien, wobei er als Themata die Pferderennen, die Gerichtshöfe und die Kulissen der Oper bevorzugt. So schroff und fest Umrissen die Persönlichkeit Forains als Zeichner ist, so stark schwankt sein Charakterbild als Maler. Hier steht er eigentlich niemals ganz auf eigenen