Alles in allem ist dieses Bild, wenn auch nicht alles darin ganz ausgeglichen ist, doch bemerkenswert als einer jener Versuche zu rein malerischer Darstellungsweise im großen, wie sie sporadisch im Werk Feuerbachs auftauchen, als Zeugnisse einer unterdrückten Komponente seines Künstlertums. 1)
Ganz auffallende Schwankungen, sowohl in der Qualität, wie in den künstlerischen Absichten zeigten die Bilder der Frühzeit, auf denen neben den Porträts der Schwerpunkt der Ausstellung ruhte. Bei dem großen Bild »Amoretten den Pan entführend« muß man über die starke Rubensnachahmung in den Figuren und die Unselbständigkeit der an Rottmann erinnernden Landschaft hinwegsehen, um den Rhythmus der nach rechts sich auflösenden Kindergruppe zu genießen, wie es auch als Vorläufer der späteren großen Kindergruppen betrachten. Der »Mönch mit Hund« wie der »Männliche Kopf« könnten gut im Werke Feuerbachs fehlen, auch der männliche Rückenakt wirkte durch die übertrieben starke Modellierung etwas absichtlich interessant. Dagegen waren einige kleine Bilder zu sehen, die zu dem Persönlichsten und unmittelbar Ausdrucksvollsten gehören, was Feuerbach geschaffen hat, vielleicht gerade, weil sie skizzenhaft geblieben sind. Da ist das zur Zeit des Todes seines Vaters entstandene »italienische Begräbnis«, in dem der schwere Rhythmus des Marcia Funebre so wirksam unterstützt wird durch das düstere, nur aus trübem Gelb-weiß und Schwarzgrau gestimmte Kolorit. Einen eigentümlich visionären Charakter trägt auch das »Sommernachtstraum« genannte Bild von 1853, das, obwohl sachlich nicht zu erklären, persönlich doch eine starke Bedeutung haben muß. Vor dunkelblauem Nachthimmel schwebt ein Dämon zu der schlafend am Boden kauernden weiblichen Gestalt herab, wobei die ausdrucksvoll ineinandergefügte Silhouette des Genius und der steil ansteigenden Berglinie mit dem trüben Rot der Körper sich zu eigentümlichem Stimmungsreiz verbindet. Am stärksten ist dieser impulsiv leidenschaftlich dramatische Ausdruck in der Skizze zum fünften Gesang der Göttlichen Komödie gesteigert, die zu einem Entwurf gleichen Gegenstandes, der von der Jahrhundert-Ausstellung her bekannt ist, hinzutritt und ihn in ungleich wirkungsvollerer Weise behandelt. An Landschaft ist nichts gegeben, als die niedrige, die Vorstellung einer unendlichen Tiefe erweckenden Horizontlinie mit fernen Baummassen, und der dunkel bewölkte Himmel mit fern verschwindenden Gestalten. Aber vorn am Boden baut sich die Silhouette der in eine dunkle Masse zusammengeballten Körper Dantes und seines Begleiters auf. Dieser stützt den von der Gewalt der Gesichte Niedergeworfenen, von dem nur das zurückgebeugte Haupt deutlicher sichtbar wird. Aus der Tiefe des Himmels kommen Paolo und Francesca hervorgeschwebt. Neben dem dunklen Körper des Mannes erscheint die helle Gestalt der Frau, beide von dunklem Gewand umflattert, in traumhaftem, in sich versunkenem Schweben und doch mit dem
1) Vgl. dazu meine Schrift »Anselm Feuerbach«. Versuch einer Stil-Analyse. Leipzig 1912.
Ausdruck unendlicher Tragik. Diese trotz des kleinen Formats so großartige Darstellung aus dem fünften Gesang Dantes ist Skizze geblieben und hat vielleicht nur dadurch diese leidenschaftliche Gewalt behalten. Die Ausführung des Themas bringt viel später erst das bekannte Bild der Schack-Galerie, in einem anderen Moment der Erzählung und mit ungleich zurückgehaltenerem, nur andeutendem Ausdruck.
Wenn man einen Zusammenhang des »Erlebnisses und der Dichtung« annehmen darf, so würde dieser, da alle diese »Versuchungs« bilder aus dem Anfang der fünfziger Jahre stammen, vielleicht auf jenes Pariser Erlebnis zurückführen, von dem Allgeyer in seiner Biographie nach Feuerbachs eigener Erzählung einige Andeutungen gibt 1), und den künstlerischen Nachhall sowie zugleich die menschliche Befreiung davon bedeuten.
Leichtere Töne werden angeschlagen in einigen Bildern badender und musizierender Frauen, gleichfalls aus diesen Jahren datiert. Es wird auch in ihnen sehr stark mit der Farbe und mit rein malerischen Mitteln gearbeitet, wie in der »venezianischen Szene«, in der durch die helle, scharf von rechts einfallende Beleuchtung, die Lichter auf den glänzend hellgelben und rötlichen Seidengewändern der Damen rechts aufsprühen, während links der Sänger, zu dessen Kopf noch einmal das Modell aus dem großen Bild der Pariser Zeit »Hafis vor der Schenke« benutzt ist, etwas im Dunkeln sitzt, aber wie auch rechts der kleine Mohr durch Rot in der Kleidung die Farbigkeit steigert. In der Mitte öffnet sich der Blick auf das blaue Meer. Von ähnlicher, sehr heller, aparter, wenn auch dem subjektiven Geschmack nicht recht zusagender Farbigkeit ist das Bildnis einer Dame im Ballkostüm, das wohl kaum als Porträt zu rechnen ist, in der Zusammenstellung eines scharfen Rosa im Kleid und Grünblau im Vorhang vor weißlich-gelbem Sessel. Dazu kommen, um den Eindruck der Unruhe zu steigern, die starken Richtungskontraste in der Haltung, die fleckige zuckende Pinselführung, die scharfen Gewandfalten. Alles dies macht das Bild zwar interessant, aber nicht sehr angenehm, und entfernt es weit von der Vorstellung, die sonst bei dem Namen Feuerbach aufsteigt. Etwas gedämpfter und ruhiger sind die »Musizierenden Frauen« behandelt, und das Bild »Badende Frauen« erweckt gar einen an Corot erinnernden Eindruck in der Zartheit und Duftigkeit, mit der die kleinen hellen Figürchen in das leichte Braun und Blau der Waldlandschaft gesetzt sind, die sie ganz umschließt.
Diese Gruppe von Bildern gewinnt ihren Zusammenhang im Werke Feuerbachs, wenn man sie an die beiden großen Bilder jener Jahre, den »Tod des Aretino« und den »Hafis vor der Schenke«, anschließt, in denen die gegensätzlichen Strebungen, welche diese kleinen Bilder repräsentieren, wie in zwei Polen nach ihrer dramatisch-unruhigen, wie heiter-malerischen Seite gesammelt sind. In all jenen Werken war ein anderer Feuerbach zu sehen, als der, an dem sich der Begriff seiner Kunst gebildet hat. In ihrer Aus
1) Bd. I, S. 221.