KUNSTCHRONIK
Neue Folge. XXIV. Jahrgang1912/1913Nr. 2. 11. Oktober 1912
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Redaktionsschluß Sonnabend mittag.
MÜNCHENER BRIEF
In der Alten Pinakothek, deren zukünftiger Leiter immer noch nicht gesichert ist, fanden in den vergangenen Sommermonaten einige Änderungen statt, die als recht günstig hier erwähnt zu werden verdienen. Man erinnert sich vielleicht, daß bei Besprechung der Neuordnung der gotischen Abteilung das neue niederländische (früher Lochner- Kabinett) und der Niederländersaal in der Zusammenstellung und Hängung nicht so gut befunden wurden, wie die altdeutschen Kabinette, deren Geschlossenheit und einheitliche Wirkung in keiner anderen Galerie ihresgleichen hat. Diesen Mangel hat man zu heben versucht und mit der Herübernahme der drei Boutstafeln, Judaskuß, Auferstehung und der Grisaille Johannes Ev. aus dem Saal in das Kabinett, wo sich schon die Flügel des Löwener Altars und die «Perle von Brabant« befanden, wirklich das Beste getan, was man unter den gegebenen Umständen tun konnte. Sie hängen nun an der Westwand des Kabinetts, wo zwischen dem Judaskuß und der Auferstehung auch jene Replik der von Friedländer dem Qu. Massys zugeschriebenen Kreuzigung der Liechtensteingalerie unter ihrem früheren Namen Patinir wieder einen Platz gefunden hat. Die Süd- und Nordwand haben durch Herausnahme verschiedener kleiner Arbeiten mehr Luft bekommen. So ist der kleine Jan van Eyck nach Siebenbürgen zurückgegangen, der Maître des Moulins, die kleine Gossaert-Madonna und die beiden dem gleichen Meister zugeschriebenen Porträts in das französisch - niederländische Kabinett (II) gewandert, wo auch die glatte Danaë, die den erwähnten Boutstafeln Platz machen mußte, einstweilen die Stelle des in Restauration befindlichen Patiniraltars einnimmt. Auch hier bedeutet die neue Hängung eine Verbesserung, und sie dürfte noch gewinnen, wenn das Provisorium der Danaë ein Ende gefunden haben wird. Mit dem Niederländersaal wird sich bei den derzeitigen Raum- und Beleuchtungsverhältnissen, wie dem zur Verfügung stehenden Material nicht wohl viel Besseres mehr erzielen lassen, solange nicht durch einen Neubau ganz andere Möglichkeiten der Verteilung geboten werden. Unter den altdeutschen Kabinetten hat das dem Lucas Cranach d. Ä. gewidmete eine sehr wertvolle Bereicherung erfahren, indem hier gegenüber der bekannten Kreuzigung von 1503 der Kruzifixus mit dem Kardinal Albrecht von Brandenburg aus der Augsburger Galerie an Stelle des Marcus Curtius von Refinger aufgehängt wurde, welch letzterer nun den Platz des ins Depot verbrachten Schlachtenbildes von Jörg Breu einnimmt. Damit ist zwar die Zahl der durch Herzog Wilhelm IV. in
Auftrag gegebenen Schlachten- und Historienbilder wieder vermindert und die bei Tschudis Neuordnung gehegte Absicht der möglichsten Wiedervereinigung fallen gelassen, da indessen eine Vollständigkeit doch nicht zu erzielen gewesen wäre — die Burgkmairsche Schlacht war wegen zu schlechter Erhaltung von vornherein nicht aufgehängt worden, und an eine Rückgabe der StockholmerTafeln ist wohl kaum zu denken — so wird sich vorerst niemand über diese Maßnahme grämen. Im Dürersaal empfindet man es als angenehm, daß die bisher durch die beiden Lukretien Cranachs d. Ä. und d. J. getrennt gewesenen Flügel des Hofer Altars zusammengenommen und die Lukretien je an das Ende der Wand versetzt wurden. Vielleicht wird man auch endlich einmal eine Lösung finden, um die Dürerschen Apostel zu vereinigen, deren Trennung durch ein Bild oder eine Tür, wie schon früher bemerkt, durchaus dem jetzigen Charakter des Werkes widerspricht. An kleineren Änderungen in den übrigen Räumen sind zu erwähnen, daß der Augsburger Lionardo (?? ) wieder verschwunden ist — an seiner Stelle hängt nun das früher Gentile Bellini zugeschriebene Jünglingsporträt als »Venezianisch um 1500« —, daß man das Selbstbildnis Palma Vecchios aus dem Venetianersaal in das Kabinett (XX) herübergenommen hat und daß man die kleineren Edlinger im Kabinett der späten Deutschen (XXII. ) vereinigte, während sich für sein großes Familienbild des Buchhändlers Strobel im englischen Kabinett eine sehr passende Umgebung ergab.
Anfang August sind auch im bayerischen Landtag wieder Münchener Kunstangelegenheiten zur Sprache gekommen, in erster Linie die ungünstigen Raumverhältnisse der hiesigen Museen, wobei außer den Zuständen an der Alten und Neuen Pinakothek besonders die durchaus ungenügenden Räume der anthropologisch-prähistorischen und der ethnographischen Sammlung gerügt wurden. Für letztere stellte Kultusminister v. Knilling die Räume des alten Nationalmuseums in Aussicht, sobald die heute dort untergebrachte Abteilung des deutschen Museums 1915 in ihren eigenen Bau übergesiedelt sein würde. In betreff der Neuen Pinakothek gab er zu, daß schon seit 1907 die Neuankäufe nicht mehr aufgehängt werden konnten, sondern in Depots aufgestapelt werden mußten, daß dieser Zustand unhaltbar und Abhilfe dringend not täte. Irgendwelche bindenden Zusagen wegen eines Neubaues konnte er jedoch nicht geben. Indessen scheint man jetzt doch ernster an die Sache heranzugehen, was sich aus der Sitzung der Kammer der Reichsräte vom 3. September entnehmen ließ, in der Ferdinand von Miller ausführlich über diese Angelegen