KUNSTCHRONIK
Neue Folge. XXIV. Jahrgang1912/1913Nr. 20. 14. Februar 1913
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DARF DIE KRITIK SICH NICHT MIT BILDERN IN PRIVATBESITZ BEFASSEN?
Eine Antwort von A. Bredius
In dem ersten Januarheft des »Cicerone« bespricht Professor Biermann den offenen Brief Sedelmeyers an mich. In dieser Biermannschen Kritik heißt es fortwährend: »die höchst unerfreuliche Art, wie Bredius gegen gewichtige Rembrandtwerke aufgetreten ist«; »die ganze Art..., in der der holländische Gelehrte in letzter Zeit gegen bestimmte Rembrandtwerke vorgegangen ist«. »Sein absprechendes Urteil kann zunächst nur Schaden stiften... «. Dann redet Herr Biermann von der »sicher begründeten Echtheit der Ehebrecherin« und hält das Urteil des Herrn Sedelmeyer deshalb für besonders wichtig, weil »der Kunsthandel seine Überzeugung mit einer Stange Goldes aufwiegt, und das allein fordert Respekt«. —! —
Weiter wird mit großer Zustimmung Sedelmeyer zitiert, wo dieser auf den Schaden hinweist, wenn sich die Kritik befaßt mit Bildern in Privatbesitz, in Auktionen und bei Kunsthändlern (besonders letzteres!)
Ja, was wünschen die Herren nun also? Daß man ruhig ansieht, daß Schülerwerke, gar Fälschungen alter und neuerer Zeit von einer Hand in die andere gehen als Werke der großen Meister? Daß das Oeuvre dieser großen Künstler immer mehr verunreinigt wird mit solchen zweifelhaften oder lieber unzweifelhaft unechten Bildern? Dürfen wir Kunstgelehrte erst unsere Meinung über ein Bild sagen, wenn es endgültig in einem Museum angelangt ist? Dann können wir unser Studium, unser Fach wohl an den Nagel hängen!
Wie gerne haben diese Herren Kunsthändler unser günstiges Urteil über ihre Bilder! Wie wird Handel getrieben mit der kleinsten Echtheitserklärung — habe ich doch Briefe von mir, kunstvoll vervielfältigt, mit Siegeln hinten auf alten Bildern gesehen!
Solange wir loben, loben können, echt erklären, sind wir gut. Was sollen wir nun aber tun, wenn wir ein Bild sehen, das wir nicht für echt halten? Schweigen? Lügen, wenn ein Sammler uns um unsre Meinung fragt? Das ist »einer der wundesten Punkte der neueren Kunstwissenschaft«, sagt Prof. Biermann.
Sehen wir nun die von Sedelmeyer angeführten Beispiele uns noch einmal an.
»Wenige Tage vor der Auktion Weber« hätte ich in der Kunstchronik zwei Rembrandts für Fälschungen erklärt. Das eine Bild, die Ehebrecherin, hatte Bode 1890, ich 1898 schön als nicht von Rembrandt erklärt, öffentlich, gedruckt. Es stand sogar im Katalog, daß ich die Echtheit des Bildes bezweifelte! Vor der Auktion hatten fast alle namhaften Kunstgelehrten, Bode an der Spitze, diese Meinung öffentlich ausge
sprochen. Es ist falsch, daher zu sagen, daß bloß auf meinen letzten Artikel hin das Bild für eine Kleinigkeit an Sedelmeyer verkauft wurde. Was habe ich nun gegen dieses Bild verbrochen? Es war 1898 auf der Amsterdamer Rembrandt-Ausstellung, wo alle Bilder kritisiert wurden in allen Sprachen. Dazumal habe ich meine von Anfang an feststehende Meinung über das Gemälde in der Zeitschrift für bildende Kunst veröffentlicht.
War das mein gutes Recht, oder nicht?
Nun die »Katastrophe« (wie Herr Professor Biermann es nennt) über mich Armen gekommen ist (d. h. nun es sich herausgestellt hat, daß ich ebensowenig unfehlbar bin wie meine Kollegen, ja, wie sogar Professor Biermann, der vor einiger Zeit zwei prächtige Frans Hals des Grafen Zamoyski, die in Haarlem ausgestellt waren, für Fälschungen erklärte), nun darf ich mich nicht mehr über Kunstwerke äußern, die sich in »Privatbesitz« befinden? Ja, dann dürfte niemand ein Wort mehr mitreden.
Aber schauen wir uns die Behauptungen des Herrn Sedelmeyer etwas weiter an: »Ein Pariser Händler kaufte im vergangenen Frühjahr auf einer Pariser Auktion einen Rembrandt für eine halbe Million Franken. Am nächsten Tage schrieben Sie (ich) in einer Zeitschrift, das Bild sei nicht echt... « Zunächst ist dieses unrichtig. Ich besuchte die Ausstellung vor der Vente, schrieb dann einer Zeitung meine Kritik über den »Rembrandt«, die ganz der Wahrheit entsprach, denn das Bild war dreiviertel übermalt, so daß dieser übermalte Teil gewiß nicht von Rembrandt war. Ich telegraphierte dann nach der Vente bloß den Preis. »Sie wiederholten Ihre Kontestierung im Burlington Magazine, obwohl alle Ihre Kollegen Ihnen Unrecht gaben« (unwahr; eine Anzahl Kenner sind ganz meiner Ansicht über das Bild), »und Sie nicht imstande sind, den Schatten eines Beweises für Ihre Behauptung zu bringen. « Hier präzisiert Biermann, indem er sagt: es handle sich um die »Frau mit dem Hahn« kürzlich im Cicerone abgebildet.
Weil dadurch dem Händler der Verkauf erschwert wird, meint Herr Sedelmeyer, daß »der Eigentümer von Ihnen (mir) eine Entschädigung zu fordern berechtigt wäre«.
Also: nachdem ein Händler das Bild erworben hatte, hätte ich sofort schweigen müssen, ja, dieses, nachdem es durch eine Reinigung ein ganz anderes geworden war, wohl gegen meine Überzeugung für echt erklären sollen! Ich habe im Burlington Magazine erklärt, daß ich das Bild aufs neue genau untersucht habe, aber nur in dem Hahn Rembrandts Han spüre. Seitdem habe ich noch folgendes entdeckt: