anderpressen will; wie er das Wilde, Aufgewühlte seiner Empfindung in einem Gewirbel von Gestalten entladen möchte. Dabei erschreckt oft ein allzu schwülstiges Pathos, das über alles Maß hinauswächst. Gelegentlich weiß er es niederzuzwingen. So in den merkwürdigen Darstellungen von Gruppen moderner Menschen, die gesellschaftliche Unterhaltung pflegen. Hier hat das Innerliche, das zum Ausdruck strebte: das seltsame Nebeneinanderstehen der einzelnen Personen, die nur scheinbar miteinander, in Wahrheit aneinander vorbei reden und existieren, durch den eigentümlichen Rhythmus der Komposition tatsächlich den Ausdruck erhalten, daß Form und Inhalt im malerischen Sinne sich decken. Bei den Riesenbildern, die religiöse Themata oder eine Amazonenschlacht behandeln, ist dies Problem noch lange nicht der Lösung zugeführt. Ein literarisches Element drängt sich vor; es soll allzuviel Gedankliches oder besser Geistiges in die Kompositionen hineingestopft werden, und das Resultat ist dabei häufig eine malerische Wirrnis, ein Übermaß, das nicht zur Einheit der Wirkung kommen kann. Dennoch wird sich niemand dem Eindruck entziehen können, der durch die flutenden Lichtströme, durch die gewiß oft gewaltsamen Helldunkel-Kontraste, durch die breite und großartige Behandlung nackter Körper erzielt wird.
In diesem Jahre soll in Berlin der Versuch gemacht werden, in einer größeren Ausstellung ein Bild der jüngsten Bestrebungen zur Förderung der Holzbildkunst zu geben und damit diesem lange daniederliegenden Zweige unserer plastischen Kunst etwas von der Bedeutung wiederzugewinnen, die die Holzschnitzerei im späten Mittelalter und in der Renaissance allgemein in Deutschland gehabt. Sie wird in den Räumen des Künstlerhauses vom Mai bis Juli stattfinden.
SAMMLUNGEN
+ München. Wilhelm Leibis meisterhaftes Porträt der Frau Gedon ist aus dem Besitz der Firma Heinemann in den des bayrischen Staates übergegangen.
In der Bildwerkesammlung des Berliner Kaiser- Friedrich-Museums ist ein Tonmodell Giovannis da Bologna erkannt worden, das Modell zu einer Figur der Fontana dell’ Isolotto im Boboligarten von Florenz, dem Brunnen mit der Statue des Ozeanus an der Spitze und drei die Lebensalter darstellenden sitzenden Flußgöttern am Sockel. Bisher hielt man die Figur für ein Modell Tribolos, das für die Vervollständigung der Arbeiten Michelangelos in der Medicikapelle bestimmt war. Das Berliner Museum besitzt in der Tat ein Modell Tribolos zu diesen Flußgöttern. Das andere Modell dagegen ist, wie Fritz Goldschmidt in den Amtlichen Berichten nachweist, Giovannis Modell zu seinem Euphrat, der zugleich das Mannesalter verkörpern soll. Es ist ein kräftiger Mann in einem eleganten Bewegungsmotiv, das recht für die Brunnenfigur stimmt: er sitzt, will sich erheben und muß dazu über seinen Krug hinwegsteigen, aber im Aufstehen blickt er ärgerlich zurück, denn der Inhalt des Gefäßes fließt ihm davon. — Auch von einem anderen florentinischen Spätrenaissancewerke des Museums stellt Goldschmidt den Künstler fest. Es ist das Phaetonrelief, die freie Umwandlung einer Komposition, die Michelangelo nach antikem Vorbilde geschaffen hat. Der Künstler ist Francesco Moschino, von dem wohl auch die im Museumsbesitz befindliche Plakette einer sitzenden Nymphe stammt, die
Wiedergabe einer Figur aus Moschinos Dianarelief in den Uffizien.
Neuerwerbungen des Berliner Kunstgewerbemuseums. Die Sammlungen des Berliner Kunstgewerbemuseums erhielten soeben einige bemerkenswerte Geschenke. Es sind Bronzemörser mit Naturabgüssen und Flötner-Plaketten, Nürnberger Arbeiten der Jamnitzer-Werkstatt aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Geheimer Kommerzienrat Eugen Gutmann stiftete dem Museum eine geschnittene Eisenschüssel italienischer Arbeit des 17. Jahrh. Angekauft wurden von der Bibliothek Watteaus Entwürfe für die Dekorationen des Schlosses De la Meute.
LITERATUR
W. Waetzoldt, Einführung in die bildenden Künste. 2 Bde. (Text u. Abbildungen). Leipzig 1912, Ferd. Hirt & Sohn.
Dieses neue Werk des Professors der Kunstgeschichte an der Hallenser Universität bedeutet nicht eine Vermehrung der ohnehin schon übergroßen Zahl der Handbücher der Kunstgeschichte. Wie Waetzoldt im Vorwort selbst sagt, ist sein Buch »nicht als ein Ersatz, wohl aber als eine Ergänzung der bekannten und bewährten Handbücher und Grundrisse der Kunstgeschichte gedacht«. Hier ist einmal versucht worden, die Ausdrucksmittel und die technischen Grundlagen der bildenden Künste gleich im Anschluß an die mehr ästhetischen Untersuchungen über das Wesen dieser Künste in höchst ausführlicher Weise zu behandeln. Die klare Gliederung des Stoffes zunächst nach den Hauptgattungen der Kunst, Architektur, Plastik, Malerei, Graphische Künste und Angewandte Kunst ergibt so viele in sich abgeschlossene Abschnitte des Werkes. Diese sind dann jeweilig wieder in zwei Teile zerlegt, der erste den technischen Grundlagen und Grundbegriffen, der zweite den Aufgaben und Mitteln der Gestaltung innerhalb der betreffenden Kunstgattung gewidmet. Wie schon aus dieser Inhaltsangabe in wenigen Worten ersichtlich, hat Waetzoldt versucht, ein System der bildenden Künste zu geben, das nicht von philosophischen, sondern technischen Grundlagen ausgeht. Dabei hat er stets einen objektiven Standpunkt zu wahren gesucht.
Unschätzbare Dienste wird Waetzoldts Buch einem jeden leisten, der sich mit Kunstgeschichte, sei es als Fachgelehrter oder Laie, beschäftigt, vor allem aber wird der Anfänger hier all das in gedrängter und klarer Übersicht finden, was er sonst in einer ganzen Bücherei zusammensuchen müßte. Die geistvollen ästhetischen Analysenwerden durch wenige, aber markante Beispiele erläutert.
In einerunlängst erschienenen Rezension des Waetzoldtschen Buches wurde gesagt, es könnte nicht den Anspruch erheben, Anfängern als Leitfaden zu dienen. Obwohl ich ohne weiteres zugebe, daß die kunstpsychologischen Abschnitte, die die größere Hälfte des Textes ausmachen, nicht als leichte Lektüre bezeichnet werden können, so sehe ich dennoch nicht ein, warum der ernsthaft strebende Studiosus nicht mit großem Nutzen diese »Einführung« durcharbeiten soll. Schließlich kann man eine Kunstlehre, die auf psychologischer Grundlage aufgebaut ist, nicht mit Gymnasiallehrbüchern vergleichen. Ein Wort noch über die Abbildungen. Die Klischees sind von größter Klarheit und Schärfe, Druck und Papier vorzüglich. Besonders lobenswert aber erscheint uns das hier zutage tretende Bestreben, die äußerliche Anordnung der Abbildungen in harmonischer, geschmackvoller Weise zu gestalten.
th.
Inhalt:
Darf die Kritik sich nicht mit Bildern in Privatbesitz befassen? Von A. Bredius. — H. Fenner-Behmer †. — Personalien. — Wettbewerbe: Heine-Denkmal in Frankfurt a. M.; Zentralfriedhof in Erfurt. — Pfalzkapelle im Aachener Münster. — Denkmalbrunnen in Hamburg. — Griechische archäolog. Tätigkeit; »Passeggiata Archeologica«. — Ausstellungen in Berlin. — Leibis Porträt der Frau Gedon; Berliner Kaiser- Friedrich-Museum; Berliner Kunstgewerbemuseum. — Literatur.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstraße 11a
Druck von Ernst Hedrich Nachf., g. m. b. h., Leipzig