Landschaften von Cézanne und zwei frühe und zwei späte Werke von van Gogh. Die Kollektion der nachimpressionistischen Künstler leidet daran, daß Wien kein Markt für moderne Bilder ist und die Künstler sich daher hüten, gute Bilder, die sie anderswo verkaufen können, nach Wien zu schicken, wo sie doch sicher unverkauft bleiben. Daher mußte man sich mit meist geringen Kostproben begnügen, so unter anderem mit zwei schönen aber ganz frühen Zeichnungen von Picasso, mit uncharakteristischen »Abfällen« von Matisse, Friesz, Vlaminck, Braque, van Dongen, Pechstein u. a. Besser waren Erbslöh, Tappert, der Picassoschüler Filla u. a. vertreten. Sehr gut endlich der junge Wiener Kokoschka mit dem (im Vorjahre in Dresden ausgestellten) weiblichen Akte, der für das erstaunliche Reifen dieses Künstlers Zeugnis gibt und mit einigen vortrefflichen Aktzeichnungen. Zwei wundervolle Zeichnungen von Maillol und Zeichnungen und Plastiken des unangenehm manieristischen E. Nadelmann waren leider nicht ausreichend, um über die Absichten der modernen Plastiker Aufschluß zu geben.
Gleichzeitig stellte die »Sezession« ihr Haus der »jungen Künstlerschaft Österreichs« zur Verfügung. Freilich scheint hier das Wort »jung« nur im Sinne der Anzahl der Jahre genommen worden zu sein, denn von »Jugend« im übertragenen Sinne des Wortes ist in der Ausstellung wenig zu bemerken. Dieses in jeder Hinsicht unzutreffende Bild der »jungen Künstlerschaft Österreichskam teils dadurch zustande, daß die Jury in überwiegender Zahl aus Mitgliedern der »Sezession« bestand, teils dadurch, daß die Ausstellungsleitung sich mit jener Gruppe junger österreichischer Künstler, die im Februar 1911 in den Räumen des Hagenbundes eine »Sonderausstellungveranstaltet hatte, und der gerade die begabtesten und meistversprechenden jungen Künstler angehörten, überworfen hat, weil sie ihnen nicht eigene Räume überlassen wollte. So kam durch die Absentierung dieser Künstler eine Ausstellung zusammen, über die alle rechtschaffenen konservativen Kunstfreunde und Kritiker ihre helle Freude äußern, denn hier ist fast nichts von der bösen »Moderne« zu spüren, vor der ebendiese Kunstfreunde und Kritiker sich dreimal bekreuzen. Vielmehr macht die Ausstellung den Eindruck einer braven Schülerausstellung der Akademie und gibt dem Künstlerhaus und der Sezession Gelegenheit, ihre Mitgliederlisten durch »junge« Elemente »aufzufrischen«. Aus dieser allgemeinen Misere fallen nur ein paar Bilder angenehm heraus, so die groß aufgefaßten und mit äußerster Farbenökonomie gemalten Bildnisse von Leop. Gottlieb (Paris), ein paar ausgezeichnete Zeichenstudien von Egon Schiele (Wien), ein Akt von Rud. Kriser (Wien) und die pastos gemalten, an Schuch und Leibi inspirierten Bilder von Wilh. Thöny (München). Die Arbeiten von Jul. Albr. Harta (Wien), der schon auf früheren Ausstellungen der Sezession als Gast erschienen war, sind allzugeschickt in der Nachahmung anderer junger Künstler, besonders Kokoschkas. Man merkt, daß das Empfindungen aus zweiter Hand sind, daß er nicht aus Eigenem dazu gekommen ist. Die Porträts von Lili Schüller (Wien), die sich eng an die Art ihres Lehrers Spiro anschließt, mögen noch aus der Masse des übrigen herausgehoben werden.
o. p.
Chemnitz. Die Februar-Ausstellung der Kunsthütte bringt eine Kollektion Gemälde und Radierungen des jüngsten Villa Romana-Preisträgers Greve-Lindau, die in Chemnitz besonderes Interesse finden muß. Leider entspricht sie nicht den Erwartungen, die man hier hegte. Nicht daß man in den Gemälden einen starken Anklang an Kalckreuth, in den Radierungen an Schinnerer findet, macht es, sondern daß sie zu wenig eine eigene Richtung,
eine eigene Linie verraten und keine Perspektive auf eine Entwicklungsmöglichkeit eröffnen. Unstreitig am besten ist der »Einzug«, den wir schon durch eine große Zeichnung kennen, gut in den bewegten Massen, in der festlichen Stimmung. Auch einige Interieurs sind einheitlich erfaßt, nur eben nicht persönlich. Die Radierungen haben trotz des Schinnerschen Einflusses Gutes, nur sind sie etwas spitz, dünn, es fehlt ihnen das männlich Zufassende.
Neben Greve-Lindau wirkt Walter Klemm-Dachau, der gleichzeitig eine allerdings sehr umfangreiche Kollektion ausstellt, jugendfrisch, kraftvoll. Seine Gemälde sind sicherlich nicht ohne fremde Einflüsse entstanden (Hodler, Cézanne), aber er setzt sich mit seinen Anregern auseinander, wehrt sich dagegen, ihrer suggestiven Macht zu erliegen, möchte ihre Vorzüge mit seiner Eigenart vermählen. Dabei bringt er einen starken deutschen Zug des Ernstes, der Tiefe und der Schwere mit. Die religiösen Themen kommen seinem ernsten, grüblerischen Sinnen am meisten entgegen, und hier gelingen ihm Werke, die heute in dem Ringen nach einem Stile, nach einer deutschen, einheitlichen, künstlerischen Ausdrucksform Stationen bedeuten. »Gethsemane«, »Die Kreuzigung«, »Der barmherzige Samariter« beweisen es. Ein Bild wie »Die Kreuzigung« ist in gleicher Weise stark in Empfindung und Stimmung, in Komposition und Farbe. In den »Winterbildern« ist Klemm ein Eigener, kann aber nicht verleugnen, daß er vom Holzschnitt herkommt. Wie er die bewegten Personen fast silhouettenartig, mit scharf umrissenen, knapp geformten Flächen in die Landschaft setzt, ist holzschnittartig. Seinen Bildern fehlt dadurch die Luftperspektive, und ein Impressionismusfanatiker empfindet als Mangel, was uns jetzt Klemmsche Eigenart dünkt. Eine persönliche Art zeigen auch die Aquarelle, während er sie in den Zeichnungen nicht immer zur rechten Geltung bringen kann. Seine Meisterschaft als Holzschneidekünstler steht heute fest, er mag unter japanischem Einfluß oder deutsch empfunden schaffen. Im deutschen Holzschnitt bedeutet sein »Faust« wieder einen Schritt vorwärts. Er hat eine stärkere Konzentration, eine größere innere Ruhe als sein »Till Eulenspiegel«, abgesehen vom Thema, das zur Verinnerlichung drängt. So zeigt uns die Chemnitzer Ausstellung Klemm als eine starke künstlerische Persönlichkeit, deren weitere Entwicklung nur mit größtem Interesse verfolgt werden kann. f. W.
Ausstellung moderner Theaterkunst in Mannheim. Nachdem sich in der Architektur und dem Kunstgewerbe eine Konsolidierung einigermaßen fest umrissener Grundlinien und Lebensströme vollzogen hatte, sog das Theater neue befruchtende Nahrung von den Errungenschaften eben dieser modernen Kunst. Das vernichtende Urteil, das Anselm Feuerbach noch über das Theater, den »Pappendeckelstil« und »Dekorationsunfug« fällen durfte, kann heute nicht mehr zu Recht bestehen, seit eine Reform die Bühne auch von der künstlerischen Seite gepackt hat. Und doch ist gerade das neue Gebiet der Theaterkunst heute noch von unklaren Forderungen und Anschauungen überschwemmt. Die Theaterausstellung, die 1910 in den Ausstellungshallen am Zoo veranstaltet wurde, verpaßte die Gelegenheit, diese Probleme, die Bühne und Kunst verbinden, in den Vordergrund zu rücken und — abgesehen von Theaterfachleuten — auch einem größeren Teil des Publikums anschaulich zu machen. An diesem Punkt setzt die Ausstellung ein, die der freie Bund zur Einbürgerung der bildenden Kunst in der Kunsthalle zu Mannheim (bis Mitte März) arrangiert hat. Theaterbau, Inszenierung und Bühnentechnik werden in der Ausstellung dargeboten. In einer umfangreichen, in großen Linien
Gleichzeitig stellte die »Sezession« ihr Haus der »jungen Künstlerschaft Österreichs« zur Verfügung. Freilich scheint hier das Wort »jung« nur im Sinne der Anzahl der Jahre genommen worden zu sein, denn von »Jugend« im übertragenen Sinne des Wortes ist in der Ausstellung wenig zu bemerken. Dieses in jeder Hinsicht unzutreffende Bild der »jungen Künstlerschaft Österreichskam teils dadurch zustande, daß die Jury in überwiegender Zahl aus Mitgliedern der »Sezession« bestand, teils dadurch, daß die Ausstellungsleitung sich mit jener Gruppe junger österreichischer Künstler, die im Februar 1911 in den Räumen des Hagenbundes eine »Sonderausstellungveranstaltet hatte, und der gerade die begabtesten und meistversprechenden jungen Künstler angehörten, überworfen hat, weil sie ihnen nicht eigene Räume überlassen wollte. So kam durch die Absentierung dieser Künstler eine Ausstellung zusammen, über die alle rechtschaffenen konservativen Kunstfreunde und Kritiker ihre helle Freude äußern, denn hier ist fast nichts von der bösen »Moderne« zu spüren, vor der ebendiese Kunstfreunde und Kritiker sich dreimal bekreuzen. Vielmehr macht die Ausstellung den Eindruck einer braven Schülerausstellung der Akademie und gibt dem Künstlerhaus und der Sezession Gelegenheit, ihre Mitgliederlisten durch »junge« Elemente »aufzufrischen«. Aus dieser allgemeinen Misere fallen nur ein paar Bilder angenehm heraus, so die groß aufgefaßten und mit äußerster Farbenökonomie gemalten Bildnisse von Leop. Gottlieb (Paris), ein paar ausgezeichnete Zeichenstudien von Egon Schiele (Wien), ein Akt von Rud. Kriser (Wien) und die pastos gemalten, an Schuch und Leibi inspirierten Bilder von Wilh. Thöny (München). Die Arbeiten von Jul. Albr. Harta (Wien), der schon auf früheren Ausstellungen der Sezession als Gast erschienen war, sind allzugeschickt in der Nachahmung anderer junger Künstler, besonders Kokoschkas. Man merkt, daß das Empfindungen aus zweiter Hand sind, daß er nicht aus Eigenem dazu gekommen ist. Die Porträts von Lili Schüller (Wien), die sich eng an die Art ihres Lehrers Spiro anschließt, mögen noch aus der Masse des übrigen herausgehoben werden.
o. p.
Chemnitz. Die Februar-Ausstellung der Kunsthütte bringt eine Kollektion Gemälde und Radierungen des jüngsten Villa Romana-Preisträgers Greve-Lindau, die in Chemnitz besonderes Interesse finden muß. Leider entspricht sie nicht den Erwartungen, die man hier hegte. Nicht daß man in den Gemälden einen starken Anklang an Kalckreuth, in den Radierungen an Schinnerer findet, macht es, sondern daß sie zu wenig eine eigene Richtung,
eine eigene Linie verraten und keine Perspektive auf eine Entwicklungsmöglichkeit eröffnen. Unstreitig am besten ist der »Einzug«, den wir schon durch eine große Zeichnung kennen, gut in den bewegten Massen, in der festlichen Stimmung. Auch einige Interieurs sind einheitlich erfaßt, nur eben nicht persönlich. Die Radierungen haben trotz des Schinnerschen Einflusses Gutes, nur sind sie etwas spitz, dünn, es fehlt ihnen das männlich Zufassende.
Neben Greve-Lindau wirkt Walter Klemm-Dachau, der gleichzeitig eine allerdings sehr umfangreiche Kollektion ausstellt, jugendfrisch, kraftvoll. Seine Gemälde sind sicherlich nicht ohne fremde Einflüsse entstanden (Hodler, Cézanne), aber er setzt sich mit seinen Anregern auseinander, wehrt sich dagegen, ihrer suggestiven Macht zu erliegen, möchte ihre Vorzüge mit seiner Eigenart vermählen. Dabei bringt er einen starken deutschen Zug des Ernstes, der Tiefe und der Schwere mit. Die religiösen Themen kommen seinem ernsten, grüblerischen Sinnen am meisten entgegen, und hier gelingen ihm Werke, die heute in dem Ringen nach einem Stile, nach einer deutschen, einheitlichen, künstlerischen Ausdrucksform Stationen bedeuten. »Gethsemane«, »Die Kreuzigung«, »Der barmherzige Samariter« beweisen es. Ein Bild wie »Die Kreuzigung« ist in gleicher Weise stark in Empfindung und Stimmung, in Komposition und Farbe. In den »Winterbildern« ist Klemm ein Eigener, kann aber nicht verleugnen, daß er vom Holzschnitt herkommt. Wie er die bewegten Personen fast silhouettenartig, mit scharf umrissenen, knapp geformten Flächen in die Landschaft setzt, ist holzschnittartig. Seinen Bildern fehlt dadurch die Luftperspektive, und ein Impressionismusfanatiker empfindet als Mangel, was uns jetzt Klemmsche Eigenart dünkt. Eine persönliche Art zeigen auch die Aquarelle, während er sie in den Zeichnungen nicht immer zur rechten Geltung bringen kann. Seine Meisterschaft als Holzschneidekünstler steht heute fest, er mag unter japanischem Einfluß oder deutsch empfunden schaffen. Im deutschen Holzschnitt bedeutet sein »Faust« wieder einen Schritt vorwärts. Er hat eine stärkere Konzentration, eine größere innere Ruhe als sein »Till Eulenspiegel«, abgesehen vom Thema, das zur Verinnerlichung drängt. So zeigt uns die Chemnitzer Ausstellung Klemm als eine starke künstlerische Persönlichkeit, deren weitere Entwicklung nur mit größtem Interesse verfolgt werden kann. f. W.
Ausstellung moderner Theaterkunst in Mannheim. Nachdem sich in der Architektur und dem Kunstgewerbe eine Konsolidierung einigermaßen fest umrissener Grundlinien und Lebensströme vollzogen hatte, sog das Theater neue befruchtende Nahrung von den Errungenschaften eben dieser modernen Kunst. Das vernichtende Urteil, das Anselm Feuerbach noch über das Theater, den »Pappendeckelstil« und »Dekorationsunfug« fällen durfte, kann heute nicht mehr zu Recht bestehen, seit eine Reform die Bühne auch von der künstlerischen Seite gepackt hat. Und doch ist gerade das neue Gebiet der Theaterkunst heute noch von unklaren Forderungen und Anschauungen überschwemmt. Die Theaterausstellung, die 1910 in den Ausstellungshallen am Zoo veranstaltet wurde, verpaßte die Gelegenheit, diese Probleme, die Bühne und Kunst verbinden, in den Vordergrund zu rücken und — abgesehen von Theaterfachleuten — auch einem größeren Teil des Publikums anschaulich zu machen. An diesem Punkt setzt die Ausstellung ein, die der freie Bund zur Einbürgerung der bildenden Kunst in der Kunsthalle zu Mannheim (bis Mitte März) arrangiert hat. Theaterbau, Inszenierung und Bühnentechnik werden in der Ausstellung dargeboten. In einer umfangreichen, in großen Linien