auch aus Privatbesitz sind viele hervorragende Sachen versprochen worden, so daß diese Ausstellung jedenfalls sehr interessant zu werden verspricht.
X Berliner Ausstellungen. Bei Gurlitt findet zurzeit eine große Ausstellung von Max Pechstein statt, in dem man immer deutlicher die stärkste Begabung der anrückenden Berliner Jugend erkennt. Was er jetzt von neuen Arbeiten zeigt, ist abermals eine Rechtfertigung der Hoffnungen, die sich seit Jahren an dies Talent knüpften. Pechstein beweist damit, daß er wieder ein erhebliches Stück weitergekommen ist. Was früher befremdete und abstieß, erscheint nunmehr als notwendige Durchgangsperiode. Der Künstler, der mit der göttlichen Rücksichtslosigkeit und Unbekümmertheit eines genialen Instinkts zunächst nur auf das Wesentliche achtete, das er ausdrücken wollte, begann mit einem lapidaren Radikalismus, der gewiß roh, unkultiviert, primitiv erschien, erscheinen mußte. Das war ein entschlossenes Aufräumen. Er strebte möglichst gründlich, wie seine ganze Generation, vom illusionistischen Naturbild loszukommen und geradeswegs zu einer Malerei zu gelangen, die es sich zum Ziele setzt, die farbige Idee der Wirklichkeitsdinge aufzufangen. Nun hat Pechstein sozusagen das Gerüst aufgebaut und kann an den inneren Ausbau gehen. Nun bereichert sich die Palette. Sein Vortrag wird mehr kultiviert, ohne schwächlicher oder konventioneller zu werden. Es wächst das innere Leben der früher allzu stark aneinandergesetzten Flächen. Die Komposition, früher oft mehr von ungefähr begriffen, nimmt organische Logik an. Koloristische Kontraste, bisher mit aller Derbheit erprobt, werden zu freierem Spiel benutzt, ohne sich in die Nuance zu verlieren. Mit Vergnügen sieht man neben den oft recht seltsam anmutenden Uniweibern, die in Pechsteins älteren Bildern aus dem exotischsaftigen Grün und Braun von Wäldern und Buchten auftauchten, jetzt erheblich feiner empfundene Gruppen von Frauen, die sich am Meer, auf der Düne lagern. Sie weisen eine ganz andere Ausgeglichenheit der Umrisse auf, die auf neue zeichnerische Schulung des Auges deutet, und eine höhere Delikatesse in der Harmonisierung der Licht- und Farbenwerte, die das malerische Thema des Bildes lieferten. Man vergleiche ferner etwa eines der älteren primitiven, starren »Porträts«, auf die solche Gattungsbezeichnung kaum paßt, und die doch in ihrer urwüchsigen Kraft Eindruck machen, mit der Bewegtheit neuerer Damenbildnisse, die Pechsteins Tendenz zu großem Stil beibehalten und das Individuelle dennoch nicht verlieren. Dazu Stilleben von blühender Schönheit der Farbe, wie besonders eines von Kürbissen und Fischen. Oder ein Bild mit gedrängten Segelbooten in einem Hafen. Zugleich fällt etwas von der alten Schwere ab. Kleine Variétéaquarelle, die zwischen den Ölbildern hängen, haben eine leicht beschwingte Grazie, wie man sie bei Pechstein noch nicht kannte. Zugleich bewährt sich der Künstler neuerdings als außerordentlicher Beherrscher der Glasmalerei. Die Entwürfe und die ausgeführten Stücke, die in der trefflichen Werkstatt von Gottfried Heinersdorff in Berlin hergestellt wurden, beweisen wiederum, wie sehr seine absolute Farbenfreude in diesen dekorativen Arbeiten, in denen das stoffliche Thema gleichgültig ist, wenn sie nur koloristische Pracht und Stimmung entfalten können, ein lohnendes Feld findet. — Daneben sieht man jetzt bei Gurlitt Tierbilder eines französischen Schweizers J. P. Niestlé, der sich unmittelbar an Liljefors geschult hat; so sehr, daß seine Arbeiten oft fast wie Kopien des schwedischen Meisters anmuten. Die Arbeiten sind auch abgesehen von dieser Unselbständigkeit ungleich im Werte. Namentlich stört ein
kaltes Grün der sommerlichen Landschaften, während die Herbststimmungen mit ihrem Graubraun und ihrem leicht bewölkten Himmel mehr ansprechen. Schließlich tritt ein jüngerer Wiener Victor Hammer mit kleinen Porträts auf, bei denen man an Waldmüller denkt, ohne daß die Biedermeier-Anmut dieses Altösterreichers hier einen vollberechtigten Erben gefunden hätte, und die daneben an intime Bildchen des Dänen Hammershöi erinnern, in dessen Namen der unseres Neulings anklingt. —
In den Ausstellungsräumen des »Sturm« sieht man kubistische Experimente des Franzosen Delaunay, der das doktrinäre Rezept Picassos zu seltsamen Gebilden benutzt. Delaunay hat meistens dasselbe Thema: einen Blick aus einem Fenster in eine Pariser Straße, aber dies Motiv wird völlig aufgelöst in flimmernde kleine Farbenflächen, die sich in Gestalt von Quadraten, Dreiecken, Rhomben und Trapezen durcheinanderschieben, ohne daß auch nur entfernt von einem Wirklichkeitsabbild die Rede wäre. Die Art, wie hier mit ganz reinen Farben ein zartes kaleidoskopisches Spiel getrieben wird, ist ohne Zweifel interessant. Aber die Bilder zerfließen so sehr in nebelhafte Phantasien auf ihre Objekte, daß man zu keinem faßbaren Eindruck gelangen kann.
Während in den Ausstellungen des »Sturm« die Angelegenheiten der neuen Malerei ein wenig literarisch behandelt werden, hat Berlin doch jetzt auch einen jungen Kunsthändler gefunden, der diese Dinge mehr im Kern anpackt. Es ist J. B. Neumann, der im Jahre 1911 am Kurfürstendamm eine Buch- und Kunsthandlung eröffnete und nun vorsichtig weiter auszugreifen beginnt, um in einem zweiten Geschäftslokal für die aufsteigende Generation Propaganda zu machen. Am Kurfürstendamm, wo er ein »Graphisches Kabinet« eingerichtet hat und von Zeit zu Zeit ganz ausgezeichnete kleine Ausstellungen arrangiert, findet man gegenwärtig eine reiche Kollektion von Reinhold Hoberg, dem tüchtigen Leiter der »Pan-Presse«, einem ungemein vielseitigen graphischen Talent. Hoberg ist ein Meister in allem Technischen, als Zeichner, Radierer, Lithograph nicht nur schlechthin »bewandert«, sondern mit den intimsten handwerklichen Finessen vertraut, von einer Sicherheit des Ausdrucks, die den verschiedensten Motiven und Stimmungen gerecht wird. Küsten- und Meerszenen von klarer Bestimmtheit der Liniensprache wechseln mit impressionistisch hingesetzten Landschaften in weit ausholenden Liebermannstrichen, idyllische Baumgruppen von malerischer Haltung mit geistreich andeutenden Impromptus von der Peripherie Berlins, farbige Zeichnungen, die an Pastellwirkungen streifen, mit schnell erfaßten Gruppen aus Cafés und Restaurants, die mir besonders gelungen erscheinen. Für Hobergs Lust an Abwechslung aller Art mag die zufällige Zusammenstellung zweier kleiner Radierungen im gleichen Rahmen als Symbol gelten, von denen die eine etwas wie eine Szene im Cabinet particulier gibt, während die andere die Überschrift »Christus und die Ehebrecherin« tragen könnte. Doch gleich bleibt sich fast durchweg des Künstlers bewundernswerte Beherrschung der Nadeln, Platten, Ätz- und Druckgeheimnisse.
Jenes zweite Geschäft Neumanns also, erst vor ein paar Wochen eröffnet, gilt der Malerei. Es ist aufs bescheidenste einquartiert, in ein paar kleinen Läden im »Niedrig-Parterre« eines Hauses in der stillen Schillerstraße zu Charlottenburg. Es liegt ganz abseits und rechnet kaum auf das große Publikum, sondern vorläufig nur auf die kleine Zahl der nie ganz aussterbenden Idealisten, die auf neue Talente fahnden. Von »Ausstattung« und »Aufmachung ist da nicht die Rede. An den Wänden hängen eben Bilder, in ziemlichem Durcheinander, aber doch nach sehr geschmackvoller Auswahl zusammengestellt. Neumann
X Berliner Ausstellungen. Bei Gurlitt findet zurzeit eine große Ausstellung von Max Pechstein statt, in dem man immer deutlicher die stärkste Begabung der anrückenden Berliner Jugend erkennt. Was er jetzt von neuen Arbeiten zeigt, ist abermals eine Rechtfertigung der Hoffnungen, die sich seit Jahren an dies Talent knüpften. Pechstein beweist damit, daß er wieder ein erhebliches Stück weitergekommen ist. Was früher befremdete und abstieß, erscheint nunmehr als notwendige Durchgangsperiode. Der Künstler, der mit der göttlichen Rücksichtslosigkeit und Unbekümmertheit eines genialen Instinkts zunächst nur auf das Wesentliche achtete, das er ausdrücken wollte, begann mit einem lapidaren Radikalismus, der gewiß roh, unkultiviert, primitiv erschien, erscheinen mußte. Das war ein entschlossenes Aufräumen. Er strebte möglichst gründlich, wie seine ganze Generation, vom illusionistischen Naturbild loszukommen und geradeswegs zu einer Malerei zu gelangen, die es sich zum Ziele setzt, die farbige Idee der Wirklichkeitsdinge aufzufangen. Nun hat Pechstein sozusagen das Gerüst aufgebaut und kann an den inneren Ausbau gehen. Nun bereichert sich die Palette. Sein Vortrag wird mehr kultiviert, ohne schwächlicher oder konventioneller zu werden. Es wächst das innere Leben der früher allzu stark aneinandergesetzten Flächen. Die Komposition, früher oft mehr von ungefähr begriffen, nimmt organische Logik an. Koloristische Kontraste, bisher mit aller Derbheit erprobt, werden zu freierem Spiel benutzt, ohne sich in die Nuance zu verlieren. Mit Vergnügen sieht man neben den oft recht seltsam anmutenden Uniweibern, die in Pechsteins älteren Bildern aus dem exotischsaftigen Grün und Braun von Wäldern und Buchten auftauchten, jetzt erheblich feiner empfundene Gruppen von Frauen, die sich am Meer, auf der Düne lagern. Sie weisen eine ganz andere Ausgeglichenheit der Umrisse auf, die auf neue zeichnerische Schulung des Auges deutet, und eine höhere Delikatesse in der Harmonisierung der Licht- und Farbenwerte, die das malerische Thema des Bildes lieferten. Man vergleiche ferner etwa eines der älteren primitiven, starren »Porträts«, auf die solche Gattungsbezeichnung kaum paßt, und die doch in ihrer urwüchsigen Kraft Eindruck machen, mit der Bewegtheit neuerer Damenbildnisse, die Pechsteins Tendenz zu großem Stil beibehalten und das Individuelle dennoch nicht verlieren. Dazu Stilleben von blühender Schönheit der Farbe, wie besonders eines von Kürbissen und Fischen. Oder ein Bild mit gedrängten Segelbooten in einem Hafen. Zugleich fällt etwas von der alten Schwere ab. Kleine Variétéaquarelle, die zwischen den Ölbildern hängen, haben eine leicht beschwingte Grazie, wie man sie bei Pechstein noch nicht kannte. Zugleich bewährt sich der Künstler neuerdings als außerordentlicher Beherrscher der Glasmalerei. Die Entwürfe und die ausgeführten Stücke, die in der trefflichen Werkstatt von Gottfried Heinersdorff in Berlin hergestellt wurden, beweisen wiederum, wie sehr seine absolute Farbenfreude in diesen dekorativen Arbeiten, in denen das stoffliche Thema gleichgültig ist, wenn sie nur koloristische Pracht und Stimmung entfalten können, ein lohnendes Feld findet. — Daneben sieht man jetzt bei Gurlitt Tierbilder eines französischen Schweizers J. P. Niestlé, der sich unmittelbar an Liljefors geschult hat; so sehr, daß seine Arbeiten oft fast wie Kopien des schwedischen Meisters anmuten. Die Arbeiten sind auch abgesehen von dieser Unselbständigkeit ungleich im Werte. Namentlich stört ein
kaltes Grün der sommerlichen Landschaften, während die Herbststimmungen mit ihrem Graubraun und ihrem leicht bewölkten Himmel mehr ansprechen. Schließlich tritt ein jüngerer Wiener Victor Hammer mit kleinen Porträts auf, bei denen man an Waldmüller denkt, ohne daß die Biedermeier-Anmut dieses Altösterreichers hier einen vollberechtigten Erben gefunden hätte, und die daneben an intime Bildchen des Dänen Hammershöi erinnern, in dessen Namen der unseres Neulings anklingt. —
In den Ausstellungsräumen des »Sturm« sieht man kubistische Experimente des Franzosen Delaunay, der das doktrinäre Rezept Picassos zu seltsamen Gebilden benutzt. Delaunay hat meistens dasselbe Thema: einen Blick aus einem Fenster in eine Pariser Straße, aber dies Motiv wird völlig aufgelöst in flimmernde kleine Farbenflächen, die sich in Gestalt von Quadraten, Dreiecken, Rhomben und Trapezen durcheinanderschieben, ohne daß auch nur entfernt von einem Wirklichkeitsabbild die Rede wäre. Die Art, wie hier mit ganz reinen Farben ein zartes kaleidoskopisches Spiel getrieben wird, ist ohne Zweifel interessant. Aber die Bilder zerfließen so sehr in nebelhafte Phantasien auf ihre Objekte, daß man zu keinem faßbaren Eindruck gelangen kann.
Während in den Ausstellungen des »Sturm« die Angelegenheiten der neuen Malerei ein wenig literarisch behandelt werden, hat Berlin doch jetzt auch einen jungen Kunsthändler gefunden, der diese Dinge mehr im Kern anpackt. Es ist J. B. Neumann, der im Jahre 1911 am Kurfürstendamm eine Buch- und Kunsthandlung eröffnete und nun vorsichtig weiter auszugreifen beginnt, um in einem zweiten Geschäftslokal für die aufsteigende Generation Propaganda zu machen. Am Kurfürstendamm, wo er ein »Graphisches Kabinet« eingerichtet hat und von Zeit zu Zeit ganz ausgezeichnete kleine Ausstellungen arrangiert, findet man gegenwärtig eine reiche Kollektion von Reinhold Hoberg, dem tüchtigen Leiter der »Pan-Presse«, einem ungemein vielseitigen graphischen Talent. Hoberg ist ein Meister in allem Technischen, als Zeichner, Radierer, Lithograph nicht nur schlechthin »bewandert«, sondern mit den intimsten handwerklichen Finessen vertraut, von einer Sicherheit des Ausdrucks, die den verschiedensten Motiven und Stimmungen gerecht wird. Küsten- und Meerszenen von klarer Bestimmtheit der Liniensprache wechseln mit impressionistisch hingesetzten Landschaften in weit ausholenden Liebermannstrichen, idyllische Baumgruppen von malerischer Haltung mit geistreich andeutenden Impromptus von der Peripherie Berlins, farbige Zeichnungen, die an Pastellwirkungen streifen, mit schnell erfaßten Gruppen aus Cafés und Restaurants, die mir besonders gelungen erscheinen. Für Hobergs Lust an Abwechslung aller Art mag die zufällige Zusammenstellung zweier kleiner Radierungen im gleichen Rahmen als Symbol gelten, von denen die eine etwas wie eine Szene im Cabinet particulier gibt, während die andere die Überschrift »Christus und die Ehebrecherin« tragen könnte. Doch gleich bleibt sich fast durchweg des Künstlers bewundernswerte Beherrschung der Nadeln, Platten, Ätz- und Druckgeheimnisse.
Jenes zweite Geschäft Neumanns also, erst vor ein paar Wochen eröffnet, gilt der Malerei. Es ist aufs bescheidenste einquartiert, in ein paar kleinen Läden im »Niedrig-Parterre« eines Hauses in der stillen Schillerstraße zu Charlottenburg. Es liegt ganz abseits und rechnet kaum auf das große Publikum, sondern vorläufig nur auf die kleine Zahl der nie ganz aussterbenden Idealisten, die auf neue Talente fahnden. Von »Ausstattung« und »Aufmachung ist da nicht die Rede. An den Wänden hängen eben Bilder, in ziemlichem Durcheinander, aber doch nach sehr geschmackvoller Auswahl zusammengestellt. Neumann