Tischbein als Maler der Historie und Mythologie geleistet hat; unseres Erachtens nicht ganz mit Recht, denn nicht eine Leistung aut diesem Gebiet darf sich seinen besten Bildnissen gleichwertig an die Seite stellen. Betont doch Verfasser selbst, daß Tischbeins Stärke nie im Ausdruck gelegen hat, woher denn seine historischen Kompositionen so oft leer wirken.
Will man sich Tischbeins Kunst nähern, so kann es nur von den (nicht allzu zahlreichen) guten Porträts her geschehen; vor allem den beiden schönsten im Schloß Wilhelmsthal, der Gräfin Stadion und der Landgräfin Maria von Hessen, geb. Prinzeß von England. Ich meinerseits reihe gern diesen das koloristisch exquisite Porträt von Tischbeins zweiter Frau in der Kasseler Galerie an, dem Verfasser nach meiner Auffassung nicht ganz gerecht wird, während er das Porträt des »Fürsten von Bückeburg« — wie neuerdings festgestellt wurde, ist es Graf Wilhelm von der Lippe-Bückeburg — nach seinen künstlerischen Verdiensten etwas überschätzt. Verhältnismäßig wenige, aber recht anmutige Interieurs mit Bildnissen hat Tischbein gemalt: einige in Wilhelmsthal; ein besonders gutes Stück, den Maler selbst und seine Tochter darstellend, erwarb kürzlich das Kaiser-Friedrich-Museum (vgl. Amtliche Berichte Dezember 1912, S. 38).
Bei Vergleichen mit anderen Meistern seiner Zeit verliert Tischbeins Schätzung ganz erheblich. Nicht nur an den großen Engländern gemessen; auch Anton Graff darf er sich, namentlich in den männlichen Porträts, nicht von fern vergleichen. Selbst innerhalb der eigenen Familie muß er die alte Stellung jetzt an einen seiner Neffen abtreten: Friedrich August, gestorben 1812, von dessen hohen malerischen Qualitäten die Leipziger Porträtausstellung dieses Jahres zuerst den richtigen Begriff gab. Auf ihn weist Verfasser mit Recht in seiner Schlußbetrachtung hin.
Ein fleißig gearbeiteter Katalog, leider nach Gegenständen, nicht nach dem Aufbewahrungsort geordnet, beschließt das nützliche Buch. G. Gr.
Jos. Aug. Beringer, Emil Lugo. Geschichte seines Lebens und Schaffens. Mit 12 Abbildungen nach Werken des
Künstlers. Im Verlage des Verfassers. Mannheim 1912. Geschmackvoll ausgestatteter Band von 109 Seiten Text.
Der Verfasser hat allen Freunden ernster Kunst ein schönes Geschenk gemacht durch diese von Verehrung und Freundschaft diktierte Biographie des Malers Emil Lugo (1840—1902). Vortrefflich ist es ihm gelungen, das an inneren Kämpfen so reiche von äußeren Erfolgen erst spät gekrönte Lebensbild des edlen Künstlers zu entwickeln. Das schöne Verhältnis des Direktors Schirmer zum geliebten Schüler, der rastlose Fleiß desselben, die freundschaftlichen Beziehungen zu den besten Mitschülern, besonders Karl Wagner, all das ist mit viel Wärme und Treue geschildert und die Einwirkung des 1863 in Karlsruhe auftauchenden interessanten Malers Canon auf den nun zwanzigjährigen besten Schüler der Anstalt ins rechte Licht gesetzt. Lugos große, edle Begabung für die stilistische Landschaft hatte damals eine wundervolle Komposition als Abschluß der Karlsruher Studienjahre gezeitigt, eine »Jagd der Diana«. Canon hatte die Figuren hineingemalt. Die Berührung mit dem geistesverwandten Hans Thoma ward für Lugo der Beginn einer fruchtbringenden treuen Freundschaft fürs ganze Leben. Nach solchen starken, hochinteressanten Anregungen bedeutete die Rückkehr in die Heimat ein Kaltstellen des Genius. Nur die herrliche,
freigebige Natur, an welche sich nun unser Künstler mit allen Seelenkräften anklammerte, tröstete ihn für den Verzicht auf den Umgang mit geistesverwandten Seelen. Eine zarte Neigung zu einer Schülerin, die auch erwidert wurde, abgerechnet, war Lugos Lebenspfad nicht von den Sonnenstrahlen der Liebe beschienen. Im übrigen war es eine Zeit bitterer innerer Kämpfe; doch drang der zum Selbstquälen Geneigte doch zur ersehnten Festigung und Klarheit durch. Zahlreiche Zitate aus Briefen an Freunde und Bekannte lassen uns klar in seine edle Seele schauen. Die Erfolge mußten für ihn, der den gesuchten Effekten in seinen Gemälden geflissentlich aus dem Wege ging, durch hoffnungsloses Beschicken der Kunstvereinsausstellungen, natürlich ausbleiben. — Wiratmen hoch auf, als diese Erfolge sich doch endlich einstellen, als ihm durch Kunstfreunde, die sein Streben verstanden, Aufträge wurden. So gelang es ihm, seinen heißen Wunsch, Dresden und dessen Galerie zu sehen, verwirklichen zu können. 1869 begleiten wir ihn dahin. Kurz war der Aufenthalt. Wir freuen uns für ihn, wenn in dieser Zeit sein Leben durch freundschaftliche Beziehungen zu geistvollen Männern und Frauen einen reichen Inhalt bekommt, die Lebensfreude, die ihn zuverlassen drohte, wieder die Oberhand gewinnt. 1871 kam hinzu der Verkauf mehrerer Bilder und die Verleihung eines Reisestipendiums von seiten der badischen Regierung für längeren Aufenthalt in Italien. Nachdem noch München besucht war, ging es direkt nach dem Lande seiner Sehnsucht. Überglücklich brachte Lugo drei segensreiche, überaus fruchtbare Jahre in Rom zu, bis sein schwacher Körper, klimatischen Einflüssen nur schwer trotzend, ihn zwang, die Heimat aufzusuchen. Dadurch gekräftigt, sehen wir ihn nach Rom zurückkehren und in Neapel und Capri im Genusse jener herrlichen Natur schwelgen. Von neuem erkrankt, mußte er nach vierjährigem Aufenthalte in Italien diesem den Rücken kehren; manch schönes Werk und eine Menge der wertvollsten Studien waren die schöne Frucht dieses Aufenthaltes. Nach Überwindung der Enttäuschungen, die dem aus des Südens Herrlichkeit nach Deutschland Zurückkehrenden nicht erspart blieben, war ihm 1885 vergönnt, in Freiburg selbst ein für ihn von seinem Bruder erbautes Atelier zu beziehen. In dem Dichter Jensen hatte er mittlerweile einen lieben Freund gewonnen, in dessen Familie er sich wie zu Hause fühlte. (Seine eigene Familie war indessen fast ausgestorben. ) Als dann Jensen nach München übersiedelte, konnte Lugo nicht widerstehen, den Freund zu begleiten. Im Jahre 1888 siedelte er dorthin über. Nur noch vier Jahre des Lebens sollten ihm beschieden sein. Doch wurde der Lebensabend des seltenen Künstlers noch erhellt durch Anerkennungen der verschiedensten Art sowohl Ankauf seiner hervorragendsten Schöpfungen, sowie durch Verleihung eines hohen Ordens von seiten des Großherzogs Friedrich. Ergreifend schildert der Verfasser das Lebensende des Meisters am 4. Juli 1902. Auf dem Friedhofe der Fraueninsel im Chiemsee haben die Freunde Jensens ihm das Grab bereitet. — Die Bedeutung Lugos als Landschaftsmaler höchsten Stiles ist in dem schönen Buche aufs klarste gezeichnet, seinem Werte nach aufs treffendste geschildert. Unterstützt wird für den Leser das Gesagte durch die vortrefflichen Reproduktionen in Vollbildern nach Werken des Künstlers. Als Titelblatt ziert das Buch ein Bildnis Lugos nach einem Gemälde von Maria Jensen. Ein vollständiges Verzeichnis der Werke, nach den Jahren der Entstehung geordnet, nebst Angabe der derzeitigen Besitzer, bildet den Anhang der Biographie.
A. Wolf.
Inhalt:Neue Forschungen über spanische Primitive. Von A. L. Mayer. — Personalien. — Helfft-Preis. — Die Hoflößnitz; Baptisterium und San Lorenzo in Florenz. — Siegesdenkmal in Aschersleben. — Ausgrabungen in Paestum, Cumae und Pompeji; Dolmenheiligtum von Alesia. — Ausstellungen in Berlin, München, Straßburg, Hamburg, Paris. — Berliner Kupferstichkabinett; Städelsches Kunstinstitut in Frankfurt a. M. — Vermischtes. — Buffalmaco- und Traini-Fragen. — Literatur.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstraße 11a
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig