»als das wirkliche von Passavant beschriebene Original in prachtvollem Abdruck« im Katalog beschrieben war, hielt er wegen verschiedener vom alten Passavantschen Original abweichender Einzelheiten für eine Kopie, welcher Ansicht sich Pauli-Bremen, Geisberg, Springer, Haberditzl und Rothe anschlossen, während Lehrs, Singer und Dodgson für die Echtheit eintraten. Weitere Untersuchungen, die Weigmann an den Photographien erläutert, brachten ihn aber zu der Ansicht, daß die Verschiedenheiten des Stuttgarter Blattes nicht auf eine Kopie, sondern darauf zurückzuführen seien, daß die feine Goldplatte, die sich sehr schnell abgenutzt haben mußte, von einer plumpen Hand aufgestochen worden war. In der anschließenden Diskussion trat Herr Berolzheimer dieser Ansicht entgegen, — er hält das fragliche Blatt für eine Kopie, was inzwischen auch Lehrs’ Meinung geworden sei, — während Herr Bredt sich auf Seite Weigmanns stellt.
Herr Stöcklein legt drei prachtvolle Degen vor, die Se. Kgl. Hoheit Prinz Rupprecht in der Garderobe der Georgiritter in der Residenz entdeckt hatte: Ein Degen von Daniel Sadeler mit spanischer Klinge zeigt gebläute Ornamente auf vergoldetem Grund nach Vorlagen von Ettienne de Laune. Die zwei anderen Degen sind weniger prunkvoll und ergeben sich als Arbeiten Kaspar Späths.
Herr Wolters bespricht die jüngsten Publikationen des deutschen archäologischen Instituts in Athen über die Ausgrabungen in Tiryns.
+ München. Die in Nr. 21 der »Kunstchronik« angezeigt gewesene Versammlung Münchener Künstler hat zur Gründung eines wirtschaftlichen Verbandes bildender Künstler geführt, der es sich zur Aufgabe macht, charitative Institutionen, wie Invaliden-, Pensions-, Unterstützungs- und Krankenkassen ins Leben zu rufen, der die Regelung der Verlagsrechte und die Schaffung einer Vermittlungsstelle für geschäftliche Angelegenheiten in die Hand nehmen will. Auch über Materialfragen, Spedition, Rechtsschutz usw. wurde in der Versammlung verhandelt, die vom Syndikus der Akademie der bildenden Künste Prof. Eugen von Stieler eröffnet worden war und in der die Maler Hermann Urban, Max Nonnenbruch, Franz Guillery, Rechtsanwalt Dr. Rosenthal die einzelnen Referate übernommen hatten, während Architekt Prof. Dr. Friedrich von Thiersch den Mitarbeitern am Schluß für ihre Mühe dankte. Der Jahresbeitrag für den wirtschaftlichen Verband bildender Künstler wird voraussichtlich auf 5 Mk. pro Person festgesetzt werden.
+ In Starnberg hat sich am 23. Februar ein »Museunisverein Würmseegau« konstituiert, als dessen erster Vorsitzender der frühere Direktor des bayrischen Nationalmuseums, Dr. Graf, als zweiter Vorstand Kunsthistoriker Dr. Paulus gewählt wurden.
FORSCHUNGEN
Ein russischer Freskenzyklus des l4. Jahrhunderts. In der von der Kaiserlichen Akademie der Künste in St. Petersburg in russischer Sprache herausgegebenen Serie »Monuments de l’art ancien russe« Livraison 4. (1912) wird ein Freskenzyklus des 14. Jahrhunderts veröffentlicht, den der Autor, Herr L. Maculevič, mit Recht als »eines der wichtigsten und interessantesten« unter den bis jetzt bekannten Monumenten der altrussischen Kunst bezeichnet und der seiner Bedeutung nach weit über die Grenzen der russischen Kunstgeschichte hinaus von Interesse ist. Die Fresken befinden sich in der 1352 erbauten Kirche der Himmelfahrt Mariä (Cerkov’ Uspenia Presvjatoi Bogorodicy) des Dorfes Voloto, wenige Kilometer von der alten Stadt Novgorod, die als freie Handelsrepublik im 11. —15. Jahr
hundert für das nördliche Rußland von großer Bedeutung gewesen ist. Die »Novgoroder Art« der russischen Heiligenmalerei kann durch die Vereinfachung des komplizierten byzantinischen Schemas zugunsten eines groß empfundenen, sicheren Umrißstils charakterisiert werden. Ihre Vorbilder, die man in der Tretjakov-Galerie kennen lernt (u. A. Tafeln Nr. 12, laut Katalog allerdings 16. Jahrhundert), liegen den Fresken von Voloto zugrunde. L. Maculevič hat gute Gründe, letztere um 1363 zu datieren. Er versucht, ihren, dem alten und neuen Testament entnommenen Inhalt aus dem Wesen der Liturgie zu erklären — ihrem Charakter nach aber glaubt er mit Recht in ihnen eine russische Analogie zu den großen Primitiven aus der ersten Hälfte des italienischen Trecentos gefunden zu haben. Man kann sich in der Tat bei Betrachtung der Publikation dem Eindruck nicht verschließen, daß es sich hier um Arbeiten eines ganz bestimmten frühen Meisters handelt. Sein Name ist uns unbekannt, seine Leidenschaft bei der Durchbrechung der üblichen byzantisch-russischen Formen ist indes ebenso groß wie die dabei erreichten künstlerischen Erfolge. Alle Darstellungen sind von einem einheitlichen und heftigen Impuls erfüllt, aus dessen Energie sich die dramatische Belebung und der Figurenstil in ebenso persönlichster und überraschender Weise ergeben, wie die Wiedergabe der Bewegung, die perspektivischen Versuche (die Handlung der Kompositionen spielt sich, wie der Herausgeber bemerkt, überall in realem Milieu ab, in der Landschaft ebenwo wie in Innenräumen) und endlich das Schönheitsideal. Als vorherrschende Farben werden Gelb, Blau, Violett, als Gewandfarbe »Rot mit blauen Reflexen« von L. Maculevič angegeben und mit der italienischen Farbengebung von der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts an verglichen. Parallelen weiß der Herausgeber kaum anzuführen. Er stellt vielmehr deren Auffindung als eine große Aufgabe für die russische Kunstforschung hin, in deren Bereich die Fresken von Voloto ebenso vereinzelt dastehen, wie sie über dasselbe hinaus für die allgemeine Kunstgeschichte von Bedeutung sind.
Dr. Philipp Schweinfurth.
LITERATUR
Ulrich Thieme, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart. Begründet von Ulrich Thieme und Felix Becker. Leipzig, E. A. Seemann. Bd. VI: Carlini — Cioci. Bd. VII: Cioffi — Cousyns. (Preis geb. je 35 Mark)
Kurze Zeit nach dem Erscheinen des V. Bandes des verdienstvollen großen Unternehmens sind bereits zwei weitere Bände herausgekommen, rasch hintereinander in der knappen Distanz weniger Monate. Was für eine Straffheit der Organisation und welch aufopferungsvolle Arbeit des Herausgebers und seiner redaktionellen Helfer eine derartige Präzision des Erscheinens voraussetzt, vermag eigentlich nur der zu würdigen, der selber einen Blick in das komplizierte Räderwerk dieser Maschinerie getan hat. Wenn man bedenkt, daß sich seit dem alten Naglerschen Lexikon das bibliographische und kritische Material, bescheiden gesagt, verhundertfältigt hat, wird man von dem Verhältnis der Schwierigkeiten, die damals und heute zu bewältigen sind, vielleicht den richtigen Begriff erhalten. Es bedurfte der mühevollen Vorbereitung von zehn Jahren, bis der erste Band veröffentlicht werden konnte (1907); und von Jahr zu Jahr wächst das Material, das in die schweren Zettelkästen immer aufs neue eingereiht werden muß. Der dornige, aber freilich bei einem so großzügig entworfenen Unternehmen einzig gangbare Weg besteht eben in der restlosen Aufarbeitung alles vorhandenen bibliographischen Stoffes; aus einem Wirrnis verschieden