artiger Notizen wird schließlich der Kern gewonnen, der den einzelnen Artikeln zugrunde gelegt wird. Um so staunenswerter ist es wieder, wie viele Artikel auch die beiden neuen Bände enthalten, denen man von mühseliger Vorbereitung nichts anmerkt, sondern die sich leicht und angenehm, belebt durch eine diskrete persönliche Note lesen lassen. Hier macht sich jene ergänzende Eigentümlichkeit des Lexikons günstig bemerkbar, daß für alle Künstler von größerer Bedeutung Spezialgelehrte herangezogen sind, denen die Redaktion ihre umfassenden bibliographischen Unterlagen liefert. Ich verstehe nicht, wie — freilich nur sehr vereinzelt — dieser Mitwirkung der Spezialisten, die sich heutzutage einfach von selber versteht, das Beispiel Naglers entgegengehalten werden konnte. Die auf jede fremde Hilfe verzichtende Arbeitsweise Naglers soll seinem Lexikon eine persönlichere Färbung geben! Wunderliche Argumentierung! Wer so denken wollte, käme gewiß noch heute darauf, als idealen Lexikographen den zu betrachten, der sogenannte »universelle Kenntnisse« besitzt. Sie sind ja auch in unserer Epoche nicht ausgestorben, die Universalisten, die Alles- und Jedeskönner. Mögen sie ihre Kräfte in unzähligen Feuilletons und Familienblättern anregend und befruchtend verwerten.
Eine gewisse Schwierigkeit besteht freilich in der Mitarbeit zahlreicher Spezialforscher. Nicht alle besitzen die Fähigkeit, sich in den Organismus, dem sie dienen sollen, uneigennützig einzufügen. Sie möchten vielfach ihre gewiß anerkennenswerten Bemühungen lohnender verwerten, als es die Interessen des Lexikons gestatten. So lassen sich Differenzen mit der Zentrale nicht stets vermeiden, und gelegentlich mag es dieser nicht leicht fallen, zwischen einem verstimmten Mitarbeiter und einem übermäßig ausführlichen Artikel zu wählen. Hier ist es Aufgabe des Rezensenten, einzugreifen und den ausschweifenden Mitarbeitern den Rat der Mäßigung zum Vorteil des Ganzen zu geben. Glücklicherweise sind arge Überschreitungen des vernünftigen und angemessenen Umfangs in den beiden vorliegenden Bänden nur in geringer Anzahl zu tadeln. Die schlimmsten Auswüchse betreffen merkwürdigerweise (ein Zeichen der Zeit? ) zwei Spätitaliener. K. Busse behandelt in Band VI auf acht Spalten »erschöpfend« den Ludovico Cigoli (und bereichert ihn auf S. 590, Mitte links, um ein beglaubigtes, zum Überfluß von seinem Urheber in aller Breite beschriebenes Werk Vasaris). Dem Pietro da Cortona aber widmet O. Pollak gar einen Artikel, der 22½ Spalten einnimmt, Dimensionen, die meines Erachtens nicht einmal bei Michelangelo, Raffael oder Rembrandt berechtigt wären. Dabei liest man mit Staunen auf S. 494, der Verfasser habe sich auf die Besprechung der völlig sicheren Werke seines Künstlers beschränkt!
Im übrigen ist hier nicht die Stelle, kritische Einzelheiten zu erörtern. Bei einem so groß angelegten Unternehmen wäre es natürlich ebenso leicht wie ungerecht, etwaige Fehler anzumerken oder Meinungsverschiedenheiten des Rezensenten hervorzuheben. Und ermüdend möchte es vollends wirken, sollten alle jene Artikel aufgezählt werden, in denen eine gründliche Beherrschung des Gebietes besondere Anerkennung verlangt. Nicht wenige unter ihnen besitzen für die weitere Forschung den Wert einer neuen, fundamentalen Monographie, andere wenigstens jenen einer vollständigen kritischen Zusammenfassung alles bisher Bekannten.
Dem außergewöhnlichen Unternehmen und der opferfreudigen Tätigkeit seines Leiters wünschen wir auch fernerhin den reichlich verdienten Erfolg und die tatkräftige Unterstützung aller für die Kunstforschung ernsthaft Interessierten. Hermann Voss.
VERMISCHTES
Keramisches aus Dresden. Im Kgl. Kunstgewerbemuseum ist gegenwärtig eine Sammlung auserlesener Stücke glasierter Tonwaren von dem Ingenieur Theodor Keerl aus Landshut i. B. ausgestellt, die sich vor allem durch wundervolle Glasuren auszeichnen. Es ist Keerl gelungen, durch geeignete Mischung einen Ton zu gewinnen, der bis zu 1100 Grad Hitze im Brand verträgt, und diese harte, feine Masse versieht Keerl mit Rohglasuren, die er aus Oxyden — Kupfer, Kobalt, Eisen — durch Mischungen, durch gegenseitige Einwirkung der verschiedenen Begüsse, durch wiederholtes Brennen und durch allerlei mechanische Maßnahmen zu erzielen vermag. Eine ganz besondere Fertigkeit Keerls ist die Herstellung der Aventuringlasur auf Ton, die in früheren Jahrhunderten bei venezianischem Glas bekannt war, neuerdings aber von der Rookwoodpottery in Cincinnati mehr durch Zufall als mit technischer Sicherheit auch für Steinzeug gewonnen wurde. Die Eigenart des Aventurins besteht darin, daß die Glasur zahlreiche goldgelbe, metallisch glänzende Pünktchen einschließt, die im Sonnenlicht prächtige Farb- und Lichtwirkungen ergeben. Wir sehen da Stücke in Grüngold, Kupfergold, Hellgold, ja mit Goldflitter in allen Farbschattierungen. Keerl verwendet bei seinen kostbaren Erzeugnissen durchweg rein künstlerische Formen: Vasen, Henkelkrüge, Fläschchen, Schalen in feinempfundener Linienführung, auf deren ungebrochenen Flächen der wohltuende, köstliche Glanz voll zur Wirkung kommt. Eine zweite Ausstellung umfaßt Bürgeler Töpferwaren, die von der Vereinigung der Bürgeler Töpfer (Vorsitzender Bürgermeister Weber) herrühren. In Bürgel i. Th. hat sich die alte bodenständige Volkskunst der Töpferei lebendig erhalten, und von dort aus lernten wir vor etwa zwei Jahrzehnten zuerst wieder reizvoll schlicht und volkstümlich verziertes farbiges Gebrauchsgeschirr kennen. Seitdem hat Henry van de Velde von Weimar aus die Bürgeler Töpfer »künstlerisch beeinflußt«. Glücklicherweise hat seine Einwirkung die alte gute Volkskunst nicht ganz verdrängt, so daß wir neben den Erzeugnissen einer verfeinerten Luxuskunst auch die alten farbenfrohen Schüsseln, Töpfe und Kannen vorfinden, die jeder bürgerlichen Küche einen heiteren, frohen Anstrich zu geben vermögen. Auch unter den Luxusgeschirren mit ihren geflossenen Glasuren sind manche ganz erfreuliche Stücke.
p. Sch.
X Der Bund deutscher Architekten hat nunmehr, spät genug, auch zu der jüngsten Wendung in der Angelegenheit des neuen Berliner Opernhauses das Wort ergriffen. Etwas post festum, aber vielleicht doch noch nicht ganz vor Toresschluß, richtet er an das Abgeordnetenhaus wie an das preußische Arbeitsministerium eine Eingabe, in der er den Vorschlag macht, die Resolution vom 13. Februar so zu formulieren, daß jener »freie Künstler«, den das Ministerium nach dem Wortlaute dieses Beschlusses zur Mitarbeit an dem Opernneubau heranziehen soll, aus einem allgemeinen Wettbewerb hervorgehen möge. Es ist schade, daß der Bund mit dieser Meinungsäußerung nicht früher hervorgetreten ist. Ob jetzt, nachdem sich Regierung und Abgeordnetenhaus einmal auf der Basis der Kompromiß-Resolution geeinigt haben, noch eine Änderung denkbar ist, ob gar — was ja tatsächlich und verfassungsmäßig möglich wäre — das Herrenhaus ein Veto einlegen, und den neuen Wettbewerb, wenn auch in dieser etwas verklausulierten Form, fordern wird, ist leider mehr als zweifelhaft. Immerhin soll man auch diese letzte Möglichkeit nicht aus dem Auge lassen und nicht müde werden, den Landtag zu bearbeiten.
Inhalt:Kasseler Brief. — Friedr. Offermann †; Alexus Ehrl †. — Personalien. — Wettbewerbe: Plakat f. d. Deutsche Werkbund-Ausstellung, Köln; Kgl. Kunstakademie in Düsseldorf. — Heinedenkmal. — Ausgrabungsgesetz. — Archäolog. Verwaltung Lybiens. — Ausstellungen in Karlsruhe, Leipzig, Hamburg, Budapest. — Renaissancebild werke d. Fam. Martelli, Florenz, Kupferstichkab., Bonn; Bardo-Museum, Tunis; Graph. Smlg., München. — München: Kunstw. Gesellschaft, Wirtschaftl. Verband bild. Künstler; Museumsverein Würmseegau. — Russ. Freskenzyklus. — Literatur. — Verm.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstraße 11a
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig
Eine gewisse Schwierigkeit besteht freilich in der Mitarbeit zahlreicher Spezialforscher. Nicht alle besitzen die Fähigkeit, sich in den Organismus, dem sie dienen sollen, uneigennützig einzufügen. Sie möchten vielfach ihre gewiß anerkennenswerten Bemühungen lohnender verwerten, als es die Interessen des Lexikons gestatten. So lassen sich Differenzen mit der Zentrale nicht stets vermeiden, und gelegentlich mag es dieser nicht leicht fallen, zwischen einem verstimmten Mitarbeiter und einem übermäßig ausführlichen Artikel zu wählen. Hier ist es Aufgabe des Rezensenten, einzugreifen und den ausschweifenden Mitarbeitern den Rat der Mäßigung zum Vorteil des Ganzen zu geben. Glücklicherweise sind arge Überschreitungen des vernünftigen und angemessenen Umfangs in den beiden vorliegenden Bänden nur in geringer Anzahl zu tadeln. Die schlimmsten Auswüchse betreffen merkwürdigerweise (ein Zeichen der Zeit? ) zwei Spätitaliener. K. Busse behandelt in Band VI auf acht Spalten »erschöpfend« den Ludovico Cigoli (und bereichert ihn auf S. 590, Mitte links, um ein beglaubigtes, zum Überfluß von seinem Urheber in aller Breite beschriebenes Werk Vasaris). Dem Pietro da Cortona aber widmet O. Pollak gar einen Artikel, der 22½ Spalten einnimmt, Dimensionen, die meines Erachtens nicht einmal bei Michelangelo, Raffael oder Rembrandt berechtigt wären. Dabei liest man mit Staunen auf S. 494, der Verfasser habe sich auf die Besprechung der völlig sicheren Werke seines Künstlers beschränkt!
Im übrigen ist hier nicht die Stelle, kritische Einzelheiten zu erörtern. Bei einem so groß angelegten Unternehmen wäre es natürlich ebenso leicht wie ungerecht, etwaige Fehler anzumerken oder Meinungsverschiedenheiten des Rezensenten hervorzuheben. Und ermüdend möchte es vollends wirken, sollten alle jene Artikel aufgezählt werden, in denen eine gründliche Beherrschung des Gebietes besondere Anerkennung verlangt. Nicht wenige unter ihnen besitzen für die weitere Forschung den Wert einer neuen, fundamentalen Monographie, andere wenigstens jenen einer vollständigen kritischen Zusammenfassung alles bisher Bekannten.
Dem außergewöhnlichen Unternehmen und der opferfreudigen Tätigkeit seines Leiters wünschen wir auch fernerhin den reichlich verdienten Erfolg und die tatkräftige Unterstützung aller für die Kunstforschung ernsthaft Interessierten. Hermann Voss.
VERMISCHTES
Keramisches aus Dresden. Im Kgl. Kunstgewerbemuseum ist gegenwärtig eine Sammlung auserlesener Stücke glasierter Tonwaren von dem Ingenieur Theodor Keerl aus Landshut i. B. ausgestellt, die sich vor allem durch wundervolle Glasuren auszeichnen. Es ist Keerl gelungen, durch geeignete Mischung einen Ton zu gewinnen, der bis zu 1100 Grad Hitze im Brand verträgt, und diese harte, feine Masse versieht Keerl mit Rohglasuren, die er aus Oxyden — Kupfer, Kobalt, Eisen — durch Mischungen, durch gegenseitige Einwirkung der verschiedenen Begüsse, durch wiederholtes Brennen und durch allerlei mechanische Maßnahmen zu erzielen vermag. Eine ganz besondere Fertigkeit Keerls ist die Herstellung der Aventuringlasur auf Ton, die in früheren Jahrhunderten bei venezianischem Glas bekannt war, neuerdings aber von der Rookwoodpottery in Cincinnati mehr durch Zufall als mit technischer Sicherheit auch für Steinzeug gewonnen wurde. Die Eigenart des Aventurins besteht darin, daß die Glasur zahlreiche goldgelbe, metallisch glänzende Pünktchen einschließt, die im Sonnenlicht prächtige Farb- und Lichtwirkungen ergeben. Wir sehen da Stücke in Grüngold, Kupfergold, Hellgold, ja mit Goldflitter in allen Farbschattierungen. Keerl verwendet bei seinen kostbaren Erzeugnissen durchweg rein künstlerische Formen: Vasen, Henkelkrüge, Fläschchen, Schalen in feinempfundener Linienführung, auf deren ungebrochenen Flächen der wohltuende, köstliche Glanz voll zur Wirkung kommt. Eine zweite Ausstellung umfaßt Bürgeler Töpferwaren, die von der Vereinigung der Bürgeler Töpfer (Vorsitzender Bürgermeister Weber) herrühren. In Bürgel i. Th. hat sich die alte bodenständige Volkskunst der Töpferei lebendig erhalten, und von dort aus lernten wir vor etwa zwei Jahrzehnten zuerst wieder reizvoll schlicht und volkstümlich verziertes farbiges Gebrauchsgeschirr kennen. Seitdem hat Henry van de Velde von Weimar aus die Bürgeler Töpfer »künstlerisch beeinflußt«. Glücklicherweise hat seine Einwirkung die alte gute Volkskunst nicht ganz verdrängt, so daß wir neben den Erzeugnissen einer verfeinerten Luxuskunst auch die alten farbenfrohen Schüsseln, Töpfe und Kannen vorfinden, die jeder bürgerlichen Küche einen heiteren, frohen Anstrich zu geben vermögen. Auch unter den Luxusgeschirren mit ihren geflossenen Glasuren sind manche ganz erfreuliche Stücke.
p. Sch.
X Der Bund deutscher Architekten hat nunmehr, spät genug, auch zu der jüngsten Wendung in der Angelegenheit des neuen Berliner Opernhauses das Wort ergriffen. Etwas post festum, aber vielleicht doch noch nicht ganz vor Toresschluß, richtet er an das Abgeordnetenhaus wie an das preußische Arbeitsministerium eine Eingabe, in der er den Vorschlag macht, die Resolution vom 13. Februar so zu formulieren, daß jener »freie Künstler«, den das Ministerium nach dem Wortlaute dieses Beschlusses zur Mitarbeit an dem Opernneubau heranziehen soll, aus einem allgemeinen Wettbewerb hervorgehen möge. Es ist schade, daß der Bund mit dieser Meinungsäußerung nicht früher hervorgetreten ist. Ob jetzt, nachdem sich Regierung und Abgeordnetenhaus einmal auf der Basis der Kompromiß-Resolution geeinigt haben, noch eine Änderung denkbar ist, ob gar — was ja tatsächlich und verfassungsmäßig möglich wäre — das Herrenhaus ein Veto einlegen, und den neuen Wettbewerb, wenn auch in dieser etwas verklausulierten Form, fordern wird, ist leider mehr als zweifelhaft. Immerhin soll man auch diese letzte Möglichkeit nicht aus dem Auge lassen und nicht müde werden, den Landtag zu bearbeiten.
Inhalt:Kasseler Brief. — Friedr. Offermann †; Alexus Ehrl †. — Personalien. — Wettbewerbe: Plakat f. d. Deutsche Werkbund-Ausstellung, Köln; Kgl. Kunstakademie in Düsseldorf. — Heinedenkmal. — Ausgrabungsgesetz. — Archäolog. Verwaltung Lybiens. — Ausstellungen in Karlsruhe, Leipzig, Hamburg, Budapest. — Renaissancebild werke d. Fam. Martelli, Florenz, Kupferstichkab., Bonn; Bardo-Museum, Tunis; Graph. Smlg., München. — München: Kunstw. Gesellschaft, Wirtschaftl. Verband bild. Künstler; Museumsverein Würmseegau. — Russ. Freskenzyklus. — Literatur. — Verm.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstraße 11a
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig