Aufgeforderten, der Esoterischen wie der Exoterischen, in den Einsendungen enttäuschten. Es herrscht das Akademische«, und zwar in seiner zwiefachen Bedeutung. Das will sagen: es sind zunächst eine ganze Reihe von Werken vorhanden, auf die diese Bezeichnung in ihrem guten Sinne paßt, Arbeiten also, die mit den soliden Mitteln gesunder Überlieferungen zur Qualität aufsteigen. Dazu gehören die Porträts vom Grafen Harrach, die älteren Bildchen von Schönleber, Kallmorgen und Julius Jacob, die holländischen Fischer (1885) von Paul Meyerheim, auch Anton von Werners kleines Porträt des Kaisers Friedrich von 1887, eine Landschaft von Bracht, eine Studie von Scheurenberg. Diese Vertreter einer gefesteten Tradition werden den meisten lieber sein als die unruhige Pseudomodernität etwa Ludwig Dettmanns und Hugo Vogels, der seine große Begabung durch laute und forcierte Brutalitäten gefährdet. »Akademisch« kann allerdings auch etwas anderes bedeuten, ein schlimmes Hintrotten auf ausgefahrenen Geleisen, und auch daran ist leider kein Mangel. In Verbindung mit der Juryfreiheit der Mitglieder führte das gelegentlich sogar zu sehr peinlichen Erscheinungen, wie etwa Eberleins zuckergußartiger Gruppe des »Doktor Eisenbart« und Dagnan-Bouverets oblatenhaft süßem Frauenkopf. Das sind üble Dinge, denen in diesen Sälen der Eintritt absolut verweigert werden müßte. (Charakteristisch übrigens, daß Dagnan-Bouveret, der sich auf den Schultern der Impressionisten erhob und dann verflachte, seit 1892 Mitglied ist, während die großen Alten selbst, Monet, Degas, Renoir, niemals hinzugebeten wurden! )
Am meisten jedoch fesseln in der Ausstellung die Proben derjenigen Kunst, die den Fortschritt bezeichnet. Als Ganzes fesselt namentlich ein Saal, in den Liebermanns Porträt des Hamburger Bürgermeisters Burchardt, Corinths Bildnis des Historikers Eduard Meyer, zwei Tierstücke von Zügel, ein keckes Jahrmarktsbild des talentvollen Rheinländers Josse Gooßens, kleine Plastiken von Kruse, Gaul, Tuaillon und Kolbe — die wundervolle, halb flächig gehaltene Bronze eines erwachenden jungen Weibes — und das außerordentliche Bildnis des alten Karl Justi von Lepsius vereinigt sind. Sieht man diese deutschen Porträts und fügt etwa, aus anderen Sälen, noch das Wörmanns von Karl Bantzer, das des verstorbenen badischen Großherzogs von Trübner hinzu (der, ebenso wie Thoma, nur Gast, nicht Mitglied der Akademie ist! ), so fragt man sich vergebens, warum sich unsere deutschen Aristokraten der Geburt und des Geldes durchaus von Zorn und von Herkomer malen lassen müssen, die, wie die Ausstellung beweist, diese Aufträge herzlich äußerlich erledigen. Auch das könnte man als »Ausländerei« bezeichnen.
Im übrigen ist man aufs Suchen angewiesen. Dabei findet man dann zwischen vielen Gleichgültigkeiten feine und überraschende Dinge. So eine delikate, ganz kleine römische Studie aus dem Jahre 1889 von Max Klinger. Ein farbig leuchtendes Stilleben von Robert Breyer, hübsche Bildchen von Otto H. Engel. Breit hingesetzte Münchener Malereien von Habermann, Angelo Jank (dabei »Uhdes Beisetzung«), Christian Speyer und Leo Putz. Skulpturen von Klinisch, Hildebrand, Wenck und andern; auch den schönen, von Rom her wohlbekannten Bronzereiter von Hermann Hahn. Ein graphisches Kabinett enthält ausgezeichnete Blätter von Orlik, Schmutzer und Köpping. Ein vielfach interessierender Architektensaal neben Ihnes kalten akademischen Arbeiten Modelle und Bilder nach Bruno Paul, Bruno Schmitz, Ludwig Hoffmann, Licht und Thiersch. Aber es leuchtet ein, daß das alles in keiner Weise ein »Bild des gegenwärtigen Kunstschaffens ergibt. Man schiebe die Schuld nicht auf die beschränkten Räume; sie liegt an ganz anderen Gründen, deren Wurzeln über Jahr
zehnte zurückreichen. Daß Manzel, und mit ihm der ständige Sekretär der Akademie, Prof. Amersdorffer, unter diesen Umständen gleichwohl eine sehr anerkennenswerte Arbeit geleistet haben, sei gern und freudig festgestellt.
Im Salon Cassirer findet man Kollektionen von zwei Künstlern: von dem Russen Leon Bakst und von dem deutschen Landschafter Paul Baum. Wir kennen Bakst schon von der großen modernen russischen Ausstellung her, die vor einigen Jahren durch Deutschland zog. Er tauchte damals neben Somoff und anderen ähnlich gearteten Talenten, wie etwa Benois, als ein Vertreter der Traditionen vom Ende des 18. Jahrhunderts auf, die sich in Rußlands Kunst, in der Architektur und der Zimmereinrichtung ebenso wie in der Malerei, mit so merkwürdiger Zähigkeit lebendig erhalten haben. Inzwischen hat Bakst gezeigt, daß er das Kunstgewerblich-Dekorative, das dieser ganzen Gruppe russischer Künstler anhaftet, vorzüglich praktisch zu verwerten weiß. Er hat sich der Welt des Theaters zugewandt und als geistreicher, graziöser und origineller Erfinder von Dekorationen und Figurinen Außerordentliches geleistet. Die Kunst der russischen Tänzer und Tänzerinnen, die wir mit solcher Begeisterung kennen gelernt haben, hat viel von Bakst profitiert, der dem Petersburger Ballett ganze Szenerien von höchster Pikanterie und Liebenswürdigkeit, für die Pawlowa, für Nijinsky und für andere dieser unvergleichlichen Meister des Rhythmus erfinderisch Kostüme erdacht hat. Man sieht jetzt bei Cassirer die lange Reihe dieser Entwürfe, delikate Blätter, bei denen man spürt, wie den Künstler über den praktischen Zweck hinaus das Thema fesselte, so daß er eine sorgsam abgerundete und mit Aquarellfarben sauber ausgepinselte Zeichnung lieferte. Von der Raserei und Hingabe der russischen Tänzer freilich ist an diesen Sächelchen nichts zu spüren, die mehr einen kultivierten und mit Vorliebe erotisch gepfefferten Saloncharakter haben. Es fehlt der Tradition aus dem französischen ancien régime bei Bakst eben das, wodurch jene Ballettgrößen die alte Überlieferung russisch durchleuchten: das Temperament und die ursprüngliche Wildheit, oder auch die sentimentale Melancholie des Slaventums. Dennoch freut man sich, den Aufmarsch dieser Bijous abzuschreiten. Wenn Bakst aber von solchen Dekorationsskizzen sich zu Bildern von eignem Anspruch vorwagt, so wird die Sache bedenklicher. Es zeigt sich dann, daß er im Grunde nicht viel zu sagen hat und mit den Dingen nur spielen kann. Je größer diese Gemälde sind, um so leerer werden sie an Farben- und Empfindungsgehalt. — Mit Vergnügen sieht man dagegen die große Kollektion von Baum, der, nunmehr schon bis in die Mitte der fünfziger Jahre vorgeschritten, damit eine Art Übersicht über sein bisheriges Schaffen gibt. Baum gehört gewiß nicht zu den stärksten, aber zu den angenehmsten und treuesten Mitkämpfern des deutschen Impressionismus. Er stammt aus der Weimarer Landschafterschule, und einige der älteren Bilder, die er jetzt mit ausstellt, haben eine Zartheit und Bescheidenheit des Tones, die von weitem an Buchholz erinnert. Dann ging Baum ins Ausland, nach Paris und Belgien, wo er den Weg von Monet zum Neoimpressionismus zurücklegte und eine zeitlang als begeisterter Prophet der pointillierenden Tüpfelmanier auftrat. Er suchte auf weiten Reisen in Südfrankreich und Nordafrika das helle Licht und die sprühenden Farben sonnendurchglühter Landschaften, um sie nach den Prinzipien von Signac und Seurat analytisch zu zerlegen. Dann ging Baum bei van Gogh in die Schule, und die Tupfen nahmen die Gestalt der breiten Striche des Holländers an. Aber im Grunde schimmerte immer und schimmert noch heute jene zarte, bescheidene Buchholzstimmung durch die anscheinend so schwer modernen Bilder. Man darf wohl sagen, daß