legeren Posen und dem stereotypen, nichtssagenden Lächeln gemachter Liebenswürdigkeit präsentierte, aber nicht als Maler lebender Menschen, wirkten die im Februar ausgestellten Werke des in Paris lebenden Vlämen Theo van Rysselberghe wie eine Offenbarung. Es waren nur Arbeiten aus den letzten Jahren, Bildnisse, figürliche Kompositionen, Landschaften und Stilleben, ein reiches Programm. Am bedeutendsten ist Rysselberghe wohl in der Darstellung des nackten weiblichen Körpers und in seinen Porträts, obwohl er sich auch auf den anderen Gebieten weit über den Durchschnitt erhebt. Zwei der ausgestellten Gemälde, vielleicht die besten, kannte man schon von der internationalen Kunstausstellung im Städtischen Museum vom vergangenen Jahre, das Porträt eines sitzenden jungen Mädchens und eine große Landschaft mit nackten weiblichen Figuren in einer von den roten Stämmen und dem durchbrechenden Sonnenschein rötlich schimmernden Kiefernwaldung mit dem blauen Meer im Hintergrund. Letzteres Werk ist für seine Auffassung und Behandlung des nackten weiblichen Körpers außerordentlich charakteristisch. Rysselberghe nimmt unter den modernen Nacktmalern eine ganz besondere Stellung ein. Bei so vielen von ihnen herrscht eine solche sinnliche Schwüle, eine Alkoven- oder Badezimmeratmosphäre, die das Geschlechtliche unwillkürlich in den Vordergrund treten lassen; ihre Frauen sind nicht nackt, sondern ausgezogen, und sie fühlen ihre Nacktheit. Ganz anders bei Rysselberghe. Die Nacktheit seiner jugendlichen Gestalten scheint ihr natürlicher Zustand, sie sind sich ihrer weiter nicht bewußt, und kokettieren nicht damit; sie sind naiv und »selig in sich selbst« wie der Dichter sagt. Es fehlt alles Erdenschwere, griechisch reine Luft weht hier.
Es ist dieselbe heitere, freie Stimmung, dieselbe naive Freude am Licht, an der animalischen Schönheit jugendlicher Körper, die man von den Gemälden von Hofmanns kennt. Aber es ist nur die ideale Auffassung, die er mit Hoffmann teilt, in der Ausführung, in der plastischen Herausarbeitung des Körperlichen, in der Kunst, das rosige, blühende Fleisch leben und atmen zu lassen, wie in der Luftperspektive, in dem Spiel von Licht und Schatten, das die Gestalten umwebt, zeigt er einen Realismus, der dem auf das Dekorative gerichteten von Hofmann fremd ist. Wie ernst es Rysselberghe mit seiner Naturtreue ist, bewiesen einige Einzelfigurenstudien, die er ganz unverändert in eine andere ähnliche Komposition nackter Frauen im Freien übernommen hatte. — Rysselberghes hier ausgestellte Bildnisse stellen nur Damen dar, im Freien wie im geschlossenen Raum. Er zeigt sich hier als einen Meister der Charakteristik. Die feinsten Nuancen im Ausdruck, ein schnell über das Gesicht huschendes Lächeln weiblicher Überlegenheit, einen kaum merklichen mokanten Zug im Gesicht, weiß sein Pinsel festzuhalten. Sein scharfer Blick dringt durch bis zum innersten Kern der Menschen, die er konterfeit. Er gibt das sich seiner Macht und seiner Reize noch kaum bewußte, unerfahrene junge Mädchen; die in der Schule des Lebens gereifte, ihr Leben genießende, geistreiche und ein wenig spöttische Frau; die durch Enttäuschungen skeptisch und überlegen-unnahbar gewordene Dame, die sich selbst interessant findet, und die mehr vegetativ dahinlebende üppige Schönheit mit der gleichen Natürlichkeit und der gleichen psychologischen Kennerschaft wieder, die unsere Bewunderung erregen. Und er erreicht das mit einer Technik, die sich von kaltem Akademismus wie von Exzentrizitätshascherei der Modernsten gleich fern zu halten weiß. Rysselberghe braucht nicht noch nach neuen Ausdrucksmitteln zu suchen, er hat seinen Stil gefunden. Nur in einem Werke, einer Abendlandschaft bei Sonnenuntergang, ist er auch einmal einer der herrschenden Moden gefolgt, indem er sich hier der Pointilliertechnik bediente,
und man muß anerkennen, mit großem Geschick. Das Zittern des violetten Lichtscheins auf dem Fluß, das blendende Flimmern des rötlichen Lichtmeeres um den roten Sonnenball über dem Horizont kommt gerade durch dies Verfahren am treffendsten zum Ausdruck, und macht das Stück zu einem seiner wirkungsvollsten Gemälde. Aber auch ohne dieses technische Hilfsmittel, das doch immer noch ins Auge fällt, vermag Rysselberghe die Abendstimmung in der Natur überzeugend zur Darstellung zu bringen. Das beweist die große Abendlandschaft mit dem schon im kühlen Abendschatten des Vordergrundes auf der Landstraße schnell dahinrollenden Fuhrwerk, während die Berge im Hintergrund noch von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne beleuchtet sind, die zwar, wie all seine andern Sachen, impressionistisch behandelt war, aber in jenem maßvollen, klassischen Impressionismus, an den sich unser Auge schon längst gewöhnt hat.
Zum Schluß seien noch einige Blumenstücke und delikate Aquariumbilder erwähnt, die sich durch die feine Harmonie ihrer warmen Farben den übrigen Arbeiten des Meisters würdig anreihen. m. d. Henkel.
Berlin. Max Beckmann plant für die nächste Sezessionsausstellung ein Bild des Unterganges der Titanic. Beckmann, dessen Kunst nach solchen stark dramatischen Szenen verlangt, hat schon einmal eine sensationelle Katastrophe gemalt: 1909 hing auf der Sezessionsausstellung sein großes Bild, das eine Szene aus dem Untergang von Messina darstellte.
Eine internationale Karikaturenausstellung wird in Leipzig in diesem Jahre gezeigt werden. Sie wird veranstaltet vom Leipziger Künstler-Verein, der zu diesem Zwecke einen Pavillon innerhalb der internationalen Baufachausstellung errichten läßt. Die Veranstaltung wird die moderne und historische Karikatur umfassen und Malerei, Plastik, Zeichnung, Graphik, sowie Karikaturengebilde auf dem Gebiete der Architektur vorführen. Es soll ein illustrierter Katalog herausgegeben werden. Die Ausstellungsleitung liegt in den Händen von Professor W. Stein und dem Maler Max Loose, zu den Beisitzern gehören der Architekt Liebig, Prof. Dr. Kurzwelly (der Direktor des stadtgeschichtlichen Museums), der Bildhauer Heinrich, sowie der städtische Oberbibliothekar und Archivdirektor Prof. Dr. Kroker.
Baden-Badener Kunstausstellung. Mit der Eröffnung der diesjährigen Kunstausstellung am 15. März wird für den ersten Monat auch eine Thoma-Ausstellung eröffnet, die mit über 50 Werken sich auf die Jahre 1858 bis 1912 erstreckt. Thoma hat dieses Mal einen Querschnitt seines ganzen Schaffens gegeben, aber das Hauptgewicht auf Porträt- und Figuraldarstellungen gelegt. In den Figurenbildern und Landschaften tritt die parallel sich vollziehende Entwicklung aus dem realistisch-intimen Stil der Frühzeit durch die poetisch verklärende nüchtere Schaffensperiode zu der ruhigen und typisierenden Gestaltungsweise deutlich hervor. Interessant ist die durch alle Entwicklung festgehaltene unverkennbare Eigenart der Auffassung.
SAMMLUNGEN
X Das Berliner Rauch-Museum, eine der kleinsten, aber auch der interessantesten preußischen Staatssammlungen, die in den Dezennien ihres bisherigen Bestehens (seit Mitte der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts) viel zu wenig beachtet worden ist, hat soeben eine Neugeburt erlebt. Seine Verwaltung war früher stets eine Sinekure desjenigen Bildhauers, der jeweils die ehemalige Rauchsche Professur innehatte, der zugleich Rauchs Amts