»Och orru orru ollalu« in einem irischen Liede Goethes wirkt ganz seltsam auf unser Ohr, obgleich die Laute an sich nichts bedeuten, und so könnte man vielleicht ganze Gedichte zusammenstellen. Aber was wäre das schließlich weiter als eine Spielerei! Viel höher kann man auch diese Versuche der Maler nicht einschätzen, es sei denn, daß sie gleich den arabischen Künstlern, deren seltsame Wanddekorationen wir in der Alhambra zu Granada bewundern, dekorative Zwecke verfolgen und letzten Endes Vorlagen für Tapeten und Teppiche zu schaffen gedenken.
Es wäre müßig, die beinahe zweitausend in diesem Salon ausgestellten Kunstwerke der Reihe nach durchzugehen und ihnen eine Zensur anzuhängen, um so müßiger, als diese Zensuren doch immer nur auf persönlichem Geschmack und Urteil beruhen und somit keinen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit erheben können. Erwähnt sei nur noch das große Denkmal für den in Genf von Calvin verbrannten Ketzer Michel Servet. In dem französischen Wien, wo Servet geboren ist, wird man ihm nun dieses räumlich sehr große Denkmal aufstellen, dessen Schöpfer Joseph Bernard im Streben nach Monumentalität wahrhaft Firdusische Helden schafft; „elefantenleibige“ heißen sie bei dem persischen Dichter, und so sehen sie bei Bernard aus, einerlei ob er Männer oder Frauen, Erwachsene oder Kinder darstellt. Er kann von Glück sagen, daß seine Wiege nicht in Deutschland gestanden hat, sonst wäre ihm von der französischen Kritik der Vorwurf der teutonischen Plumpheit sicherlich nicht erspart geblieben. Im übrigen muß man sagen, daß dieses Denkmal sich durch originale Anordnung der Gestalten auszeichnet und auf jeden Fall unendlich interessanter ist als die landläufige Statuenkunst. Bernard ist jedenfalls ein eigenartiger Künstler und bemüht sich, aus dem trivialen Geleise der offiziellen Denkmäler herauszukommen. Für die Leute von Vienne wird das Denkmal freilich nicht viel besser als ein Bilderrätsel sein.
Als besonderen »Clou« haben die Leiter des Herbstsalons die nicht sehr bemerkenswerte Idee gehabt, eine Sammlung von im neunzehnten Jahrhundert gemalten oder modellierten Bildnissen zu zeigen. Wenn eine Ausstellung von Bildnissen des neunzehnten Jahrhunderts wie hier ausschließlich französische Arbeiten bringt, so hätte man das schon in der Überschrift anzeigen sollen.
Auch die französische Auswahl ist sehr lückenhaft, und es fehlen beinahe ebensoviele hervorragende französische Porträtisten, als vertreten sind. Immerhin hat man einige sehr interessante Arbeiten zusammengebracht. Dazu gehört z. B. der ausgezeichnete kleine Berlioz Daumiers, während man den Lavoignat des nämlichen Künstlers gar nicht für einen Daumier halten und ihn gar in Verbindung mit Bonnat bringen möchte, von dem ein in seiner handfesten Art wirklich vortreffliches Porträt Renans vorhanden ist. Andere bekannte Meister sind ebenfalls mit Arbeiten vertreten, die man ihnen nur nach langem Zögern zugestehen möchte, obschon sie weiter nichts beweisen, als daß diese Künstler sich durch die akademischen und offiziellen Kunstanschauungen durchringen mußten, bis sie ihren eigenen Weg fanden. Das gilt von dem Selbstbildnis des Puvis de Chavannes, das gar nicht wie die bekannten späteren Arbeiten dieses Meisters an den Camposanto zu Pisa, sondern eher an die Hochrenaissance zu Venedig erinnert; das gilt von den Bildnissen der Damen Longchamps-Martin und ihrer Tochter Vaudiville, worin man sicherlich nicht den Bauernmaler Millet erkennt.
Mit Vergnügen sieht man das entzückende kleine Mädchenbüstchen von Dalou wieder, obschon man es jeden Tag drüben im Petit Palais sehen könnte, wenn man die ständigen Sammlungen anders als bei besonderen Anlässen aufsuchte. Auch die schönen Büsten von Carries
stehen dort, aber es schadet gar nichts, daß man sie trotzdem in diese Ausstellung aufgenommen hat, denn wie gesagt sind die ständigen Bewohner einer Stadt leider nicht die eifrigsten Besucher der ständigen Museen. Von Albert Besnard ist das vor dreißig Jahren gemalte, sehr interessante Gruppenbildnis seiner Familie zu sehen; von Eugen Carrière die herrliche Madame Gallimard aus seiner besten farbigen Zeit, sodann Alphonse Daudet, Picquart und Fontaine mit seiner Tochter; von Corot eine wenig interessante Algerierin; von Courbet drei Sachen, die alle drei nicht zu den Hauptwerken dieses Künstlers gehören, obschon sie ihren Urheber deutlich genug verraten; von Degas das Bildnis des Kassierers seines Vaters aus seinen ersten Anfängen; von Delacroix das etwas schwarz gewordene Porträt der Schriftstellerin George Sand; von Falguière die Büste Rodins, die vor zwölf oder fünfzehn Jahren im Salon Aufsehen machte, weil der Bildhauer seinen Kollegen durchaus rodinesk modelliert hatte, also daß die Arbeit aussieht, als ob sie nicht von Falguière, sondern von Rodin selbst herrühre; von Gauguin das schon ganz nach der Südsee schmeckende Bildnis seiner merkwürdig jung aussehenden Mutter; von Géricault das an das Selbstbildnis im Louvre erinnernde ausgezeichnete Porträt seines Freundes Delacroix; von Hermann Paul das Porträt des Malers Cézanne, das man einigermaßen erstaunt mit dem Porträt des nämlichen von Pissarro vergleicht, um die gleiche Person in den beiden Darstellungen wiederzufinden.
Zunächst um des Gegenstandes, dann aber auch um der kräftigen Charakterisierung willen interessiert das Bildnis der Louise Michel von Louis Tinayre, den man bisher eigentlich nur als Illustrator und Zeichner kannte und eines so ausgezeichneten Bildnisses nicht für fähig gehalten hätte. Zum Beweise, daß es sich nicht nur um einen vereinzelt geglückten Wurf handelt, hängt in dem nämlichen Saale noch ein anderes, ebenso tüchtiges weibliches Bildnis von dem nämlichen Künstler. Beide sind schon vor dreißig Jahren gemalt, und doch mußte ein so trefflicher Meister der Ölmalerei in einem gewissen Grade den Rücken kehren, um als zeichnender Kriegsberichterstatter, Reisender und Reporter sein Auskommen zu finden. Sonst bringt diese Ausstellung keine Überraschung, man müßte denn das sehr gute Bildnis des Italieners Buonarotti, des Genossen Babeufs und eifrigen Revolutionärs, von dem bisher wenig bekannten Maler Jeanron als solche bezeichnen.
Um im übrigen den ungefähren Inhalt der Ausstellung anzugeben, sei noch erwähnt, daß von Manet ein sehr charakteristisches Bildnis eines jungen Mädchens und das Porträt der Madame Zola gezeigt werden, von Renoir das ausgezeichnete Porträt der Frau Charpentier, von John Sargent, der so ziemlich der einzige hier vertretene Ausländer ist, das sehr schöne Geburtstagsbild im Besitze Besnards; von Fantin-Latour ein männliches und zwei überaus schöne weibliche Bildnisse; von Toulouse-Lautrec drei sehr bezeichnende Arbeiten und von Vincent van Gogh drei seiner bekanntesten männlichen Porträts, das seines Bruders, des Père Tanguy und das im Besitze Theodor Durets befindliche Bildnis. Außer den genannten sind einige fünfzig oder sechzig weniger bemerkenswerte Künstler des letzten Jahrhunderts und der Gegenwart vertreten, aber man vermißt viele Namen, die unbedingt hier sein müßten, und die Ausstellung gibt uns durchaus keinen Leitfaden für die Entwickelung des Porträts im neunzehnten Jahrhundert, ja nicht einmal eine Übersicht über die französische Bildniskunst der letzten hundert Jahre. Damit aber soll nicht gesagt sein, daß sie nicht sehr interessant wäre. Ganz im Gegenteil ist sie sicherlich der interessanteste Teil des Herbstsalons, — was allerdings vielleicht nicht sehr viel sagen will. Karl Eugen Schmidt.
Es wäre müßig, die beinahe zweitausend in diesem Salon ausgestellten Kunstwerke der Reihe nach durchzugehen und ihnen eine Zensur anzuhängen, um so müßiger, als diese Zensuren doch immer nur auf persönlichem Geschmack und Urteil beruhen und somit keinen Anspruch auf allgemeine Gültigkeit erheben können. Erwähnt sei nur noch das große Denkmal für den in Genf von Calvin verbrannten Ketzer Michel Servet. In dem französischen Wien, wo Servet geboren ist, wird man ihm nun dieses räumlich sehr große Denkmal aufstellen, dessen Schöpfer Joseph Bernard im Streben nach Monumentalität wahrhaft Firdusische Helden schafft; „elefantenleibige“ heißen sie bei dem persischen Dichter, und so sehen sie bei Bernard aus, einerlei ob er Männer oder Frauen, Erwachsene oder Kinder darstellt. Er kann von Glück sagen, daß seine Wiege nicht in Deutschland gestanden hat, sonst wäre ihm von der französischen Kritik der Vorwurf der teutonischen Plumpheit sicherlich nicht erspart geblieben. Im übrigen muß man sagen, daß dieses Denkmal sich durch originale Anordnung der Gestalten auszeichnet und auf jeden Fall unendlich interessanter ist als die landläufige Statuenkunst. Bernard ist jedenfalls ein eigenartiger Künstler und bemüht sich, aus dem trivialen Geleise der offiziellen Denkmäler herauszukommen. Für die Leute von Vienne wird das Denkmal freilich nicht viel besser als ein Bilderrätsel sein.
Als besonderen »Clou« haben die Leiter des Herbstsalons die nicht sehr bemerkenswerte Idee gehabt, eine Sammlung von im neunzehnten Jahrhundert gemalten oder modellierten Bildnissen zu zeigen. Wenn eine Ausstellung von Bildnissen des neunzehnten Jahrhunderts wie hier ausschließlich französische Arbeiten bringt, so hätte man das schon in der Überschrift anzeigen sollen.
Auch die französische Auswahl ist sehr lückenhaft, und es fehlen beinahe ebensoviele hervorragende französische Porträtisten, als vertreten sind. Immerhin hat man einige sehr interessante Arbeiten zusammengebracht. Dazu gehört z. B. der ausgezeichnete kleine Berlioz Daumiers, während man den Lavoignat des nämlichen Künstlers gar nicht für einen Daumier halten und ihn gar in Verbindung mit Bonnat bringen möchte, von dem ein in seiner handfesten Art wirklich vortreffliches Porträt Renans vorhanden ist. Andere bekannte Meister sind ebenfalls mit Arbeiten vertreten, die man ihnen nur nach langem Zögern zugestehen möchte, obschon sie weiter nichts beweisen, als daß diese Künstler sich durch die akademischen und offiziellen Kunstanschauungen durchringen mußten, bis sie ihren eigenen Weg fanden. Das gilt von dem Selbstbildnis des Puvis de Chavannes, das gar nicht wie die bekannten späteren Arbeiten dieses Meisters an den Camposanto zu Pisa, sondern eher an die Hochrenaissance zu Venedig erinnert; das gilt von den Bildnissen der Damen Longchamps-Martin und ihrer Tochter Vaudiville, worin man sicherlich nicht den Bauernmaler Millet erkennt.
Mit Vergnügen sieht man das entzückende kleine Mädchenbüstchen von Dalou wieder, obschon man es jeden Tag drüben im Petit Palais sehen könnte, wenn man die ständigen Sammlungen anders als bei besonderen Anlässen aufsuchte. Auch die schönen Büsten von Carries
stehen dort, aber es schadet gar nichts, daß man sie trotzdem in diese Ausstellung aufgenommen hat, denn wie gesagt sind die ständigen Bewohner einer Stadt leider nicht die eifrigsten Besucher der ständigen Museen. Von Albert Besnard ist das vor dreißig Jahren gemalte, sehr interessante Gruppenbildnis seiner Familie zu sehen; von Eugen Carrière die herrliche Madame Gallimard aus seiner besten farbigen Zeit, sodann Alphonse Daudet, Picquart und Fontaine mit seiner Tochter; von Corot eine wenig interessante Algerierin; von Courbet drei Sachen, die alle drei nicht zu den Hauptwerken dieses Künstlers gehören, obschon sie ihren Urheber deutlich genug verraten; von Degas das Bildnis des Kassierers seines Vaters aus seinen ersten Anfängen; von Delacroix das etwas schwarz gewordene Porträt der Schriftstellerin George Sand; von Falguière die Büste Rodins, die vor zwölf oder fünfzehn Jahren im Salon Aufsehen machte, weil der Bildhauer seinen Kollegen durchaus rodinesk modelliert hatte, also daß die Arbeit aussieht, als ob sie nicht von Falguière, sondern von Rodin selbst herrühre; von Gauguin das schon ganz nach der Südsee schmeckende Bildnis seiner merkwürdig jung aussehenden Mutter; von Géricault das an das Selbstbildnis im Louvre erinnernde ausgezeichnete Porträt seines Freundes Delacroix; von Hermann Paul das Porträt des Malers Cézanne, das man einigermaßen erstaunt mit dem Porträt des nämlichen von Pissarro vergleicht, um die gleiche Person in den beiden Darstellungen wiederzufinden.
Zunächst um des Gegenstandes, dann aber auch um der kräftigen Charakterisierung willen interessiert das Bildnis der Louise Michel von Louis Tinayre, den man bisher eigentlich nur als Illustrator und Zeichner kannte und eines so ausgezeichneten Bildnisses nicht für fähig gehalten hätte. Zum Beweise, daß es sich nicht nur um einen vereinzelt geglückten Wurf handelt, hängt in dem nämlichen Saale noch ein anderes, ebenso tüchtiges weibliches Bildnis von dem nämlichen Künstler. Beide sind schon vor dreißig Jahren gemalt, und doch mußte ein so trefflicher Meister der Ölmalerei in einem gewissen Grade den Rücken kehren, um als zeichnender Kriegsberichterstatter, Reisender und Reporter sein Auskommen zu finden. Sonst bringt diese Ausstellung keine Überraschung, man müßte denn das sehr gute Bildnis des Italieners Buonarotti, des Genossen Babeufs und eifrigen Revolutionärs, von dem bisher wenig bekannten Maler Jeanron als solche bezeichnen.
Um im übrigen den ungefähren Inhalt der Ausstellung anzugeben, sei noch erwähnt, daß von Manet ein sehr charakteristisches Bildnis eines jungen Mädchens und das Porträt der Madame Zola gezeigt werden, von Renoir das ausgezeichnete Porträt der Frau Charpentier, von John Sargent, der so ziemlich der einzige hier vertretene Ausländer ist, das sehr schöne Geburtstagsbild im Besitze Besnards; von Fantin-Latour ein männliches und zwei überaus schöne weibliche Bildnisse; von Toulouse-Lautrec drei sehr bezeichnende Arbeiten und von Vincent van Gogh drei seiner bekanntesten männlichen Porträts, das seines Bruders, des Père Tanguy und das im Besitze Theodor Durets befindliche Bildnis. Außer den genannten sind einige fünfzig oder sechzig weniger bemerkenswerte Künstler des letzten Jahrhunderts und der Gegenwart vertreten, aber man vermißt viele Namen, die unbedingt hier sein müßten, und die Ausstellung gibt uns durchaus keinen Leitfaden für die Entwickelung des Porträts im neunzehnten Jahrhundert, ja nicht einmal eine Übersicht über die französische Bildniskunst der letzten hundert Jahre. Damit aber soll nicht gesagt sein, daß sie nicht sehr interessant wäre. Ganz im Gegenteil ist sie sicherlich der interessanteste Teil des Herbstsalons, — was allerdings vielleicht nicht sehr viel sagen will. Karl Eugen Schmidt.