Vorarlberger Schule (Pfeilerbildung, Querhaus, Emporen), dann durch die zentralisierende Tendenz der Münchener Architekten in seinen Wallfahrtskirchen zu Steinhausen bei Schussenried und Wies bei Steingaden zu einer wohl als sein geistiges Eigentum anzusehenden genialen Form der Zentralanlage gelangt: elliptischer Hauptraum mit luftigem Umgang, Vorhaus und Chor möglichst symmetrisch angegliedert und abgerundet. Besonderen Reiz verleiht diesen schwungvoll komponierten Kirchen die reiche Stuckausstattung des ganzen Inneren durch den Meister selbst, dem ein hochentwickelter Sinn für ornamentale Erfindung von Haus aus eignete. Wären nicht gerade seine größten Entwürfe für die Abteien Ottobeuren (zentralisierender Kirchenbau) und Schussenried (Kloster samt Kirche) unausgeführt geblieben, so müßte Zimmermann schon längst als eine der glänzendsten Erscheinungen des süddeutschen Rokoko anerkannt sein, als welche ihn in der Tat nun diese gediegene Publikation wiederaufleuchten läßt. Bertold. Pfeiffer
Gustav E. Pazaurek, Guter und schlechter Geschmack im Kunstgewerbe. Mit 20 Tafeln und 266 Textabbildungen. Stuttgart und Berlin, Deutsche Verlagsanstalt. M. 12. —.
Das Buch ist der Niederschlag von Theorien, die sich Pazaurek aus seiner Sammlung kunstgewerblicher Gegenbeispiele im Landesgewerbe-Museum zu Stuttgart ergeben haben. Wie dort, suchter den riesigen Stoff in mehrere Hauptabteilungen zu gliedern und diese unter sich aufzuteilen. Die Grenzen der verschiedenen ästhetischen Versündigungen gegen einander sind aber fließend, und so sind Wiederholungen und Abschweifungen unvermeidlich. Sie belasten das Buch etwas über Gebühr, und es darf auch hervorgehoben werden, daß die ununterbrochene Reihe von ästhetischen Widersinnigkeiten in den Abbildungen auf die Dauer wenig erquicklich berührt. Das mag freilich im Stoff liegen; unnötig dagegen erscheinen viele der »populären« Scherze, mit denen der Verfasser seine Kritik begleitet, und daß sie sogar recht bedenklich werden können, möge man S. 214 unter »Patenthumor« nachlesen.
Gegen die vortreffliche Absicht und die moderne Gesinnung des Buches ist natürlich gar nichts einzuwenden. Es ist recht gut, daß einmal alles zusammengetragen wird, was von Verirrungen im Kunstgewerbe — und nicht bloß zu unsern Zeiten — geleistet worden ist. Wir haben in Pazaureks Buch ein lehrreiches Kompendium dessen, was nicht sein soll; und wollen hoffen, daß spätere Zeiten einen nicht allzu umfangreichen Nachtrag dazu zu schreiben haben werden. Die großen Hauptabteilungen sind vorzüglich bezeichnet: Materialfragen (z. B. Vergewaltigungen, Übergriffe, Protzerei am Material, Surrogate, Pimpeleien, schlechtes Material u. s. f. ); Zweckform und Technik (übermäßige Dimensionen, verschobenes Schwergewicht, funktionelle Lügen, Plagiate usw. ); Kunstform und Schmuck (wo Pazaurek u. a. eine sehr brauchbare Mittellinie zwischen den bloßen Zweckmäßigkeitsfanatikern und dem Dekorativen zieht, S. 235ff., 265ff. ) Was sich schließlich nirgends theoretisch unterbringen ließ, wurde zuletzt unter »Kitschgesammelt.
Mit Vorliebe begibt sich der Verfasser auf das Gebiet allgemeiner ästhetischer Erörterungen über das Kunstgewerbe. Wo er indes auf das der großen Kunst übergreift, wird man ihm nicht immer folgen können; so z. B. wenn er die Pyramiden die »phantasieärmsten Protzengräber aller Zeiten« nennt oder mit noch stärkeren Kraftworten gegen die »frechen Pinseleien« von Gauguin und Matisse, »zwei Schmierern ärgster Sorte« zu Felde zieht.
War es nötig, sich derartig aufs Glatteis zu begeben? So etwas, das Schwarz auf Weiß dasteht, kann man doch beim besten Willen später nicht ableugnen. p. f. Schmidt
Julius Kurth, Der japanische Holzschnitt. München, R. Piper, 1911.
Auf 120 Seiten gibt uns der gelehrte Verfasser, dessen Utamaro-Monographie und andere Schriften über ostasiatische Malerei rühmlichst bekannt sind, eine ausgezeichnete, wenn auch durch den Andrang zahlloser Namen nicht immer leicht lesbare Skizze des japanischen Holzschnitts, Es ist trotzdem ein Buch, das im besten Sinne des Wortes populär genannt werden darf: klare Disposition des Stoffes und wissenschaftlich einwandsfreie Behandlungsweise sind hier in einer lobenswerten Weise miteinander verbunden. Die Darstellung beginnt mit dem Muku Shokö Gyö, dem ältesten Druckbuch Japans, aus dem Jahre 764, das jedoch noch keine Illustrationen enthält. Die ältesten einzelnen Bilder, Romanfragmente u. ä., wie auch das Heiji monogatari, 1629 mit Bildern gedruckt, hält der Verfasser für Ziegeldrucke, dagegen das 1608 erschienene Ise Monogatari und die zahlreich erhaltenen religiösen Einzelblätter für Bleiplattendrucke. Er neigt dazu, in dem legendarischen Erfinder des Holzstockdruckes, Moronubu, um 1650, den wirklichen Begründer dieser Kunst zu sehen. Den Schluß des Buches bildet die Betrachtung Hokusais, dessen Erscheinung für Dr. Kurth wie für die Japaner die Auflösung der alten klassischen Kunst bedeutet.
Die zahlreichen, wohlgewählten Illustrationen sind auch technisch auf der Höhe und bilden mit dem lebendig geschriebenen Text zusammen vielleicht die beste, wenn nicht die einzige kurz gefaßte Einführung in diese jetzt so populär gewordene Kunst. Aber auch für den Spezialisten sind hier wertvolle Materialien zu finden, wie neue Künstlernamen, neue Gesichtspunkte in der Einteilung und Betrachtung der Entwicklung u. dergl. Der Verfasser schöpft sein Material durchweg_ aus erster Hand, nämlich aus den japanischen Quellen. Überaus lobenswert sind auch die Anhänge: Verzeichnis der technischen Ausdrücke und Verzeichnis der Signaturen in Faksimile und Umschreibung.
Bn.
Watteau. (Klassikerder Kunst Band 21. ) Mit 182 Abbilduneng Einleitung und Anmerkungen von E. Heinrich Zimmermann. Stuttgart und Leipzig, Deutsche Verlagsanstalt, geb. 8 Mk.
Dieser Band ist doppelt willkommen, da der erste und tonangebende Maler des galanten Zeitalters in nur wenigen großen Sammlungen (in Berlin, London, Paris und Petersburg) leidlich vertreten ist, während die Masse seiner Werke sich in entlegenen oder privaten Galerien verbirgt. Daran liegt es auch, daß sein Oeuvre noch so wenig durchgeprüft ist und daß offenbar gute Photos von vielen Stücken noch nicht zu haben sind (15 Bilder sind als »fälschlich zugewiesen« verzeichnet, 10 Aufnahmen sind nachträglich eingegangen und im Anhang vereinigt). Wir erhalten also in jeder Hinsicht trotz aller Arbeit und Mühe nur ein ungefähres Bild des Meisters, und dieser Überblick macht uns staunen, wie arm seine Erfindung ist. Die Bauernkirmes und die Liebesgärten Rubens’ sind neben dem flämischen Volksstück und Gillots italienischen Komödianten seine Stoffe, nur französisch eingekleidet und frisiert und in die duftige Landschaft Claudes versetzt. Das Firmenschild zeigt ihn erst auf einer Bahn, wo er bei längerem Leben sein Eigenes hätte finden müssen. Br.
Inhalt:Ausstellung alter ostasiatischer Kunst in Berlin. — Nils Hansteen † — Personalien. — Wettbewerb um den Neubau der Düsseldorfer Kunstakademie. — Ausstellung in Paris. — Museum der bild. Künste in Budapest. — Autor des Pal. Madama in Rom; Landschaft auf Dürers
Blatt »Die Drahtziehmühle«. — Literatur.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstraße 11 a
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig
Gustav E. Pazaurek, Guter und schlechter Geschmack im Kunstgewerbe. Mit 20 Tafeln und 266 Textabbildungen. Stuttgart und Berlin, Deutsche Verlagsanstalt. M. 12. —.
Das Buch ist der Niederschlag von Theorien, die sich Pazaurek aus seiner Sammlung kunstgewerblicher Gegenbeispiele im Landesgewerbe-Museum zu Stuttgart ergeben haben. Wie dort, suchter den riesigen Stoff in mehrere Hauptabteilungen zu gliedern und diese unter sich aufzuteilen. Die Grenzen der verschiedenen ästhetischen Versündigungen gegen einander sind aber fließend, und so sind Wiederholungen und Abschweifungen unvermeidlich. Sie belasten das Buch etwas über Gebühr, und es darf auch hervorgehoben werden, daß die ununterbrochene Reihe von ästhetischen Widersinnigkeiten in den Abbildungen auf die Dauer wenig erquicklich berührt. Das mag freilich im Stoff liegen; unnötig dagegen erscheinen viele der »populären« Scherze, mit denen der Verfasser seine Kritik begleitet, und daß sie sogar recht bedenklich werden können, möge man S. 214 unter »Patenthumor« nachlesen.
Gegen die vortreffliche Absicht und die moderne Gesinnung des Buches ist natürlich gar nichts einzuwenden. Es ist recht gut, daß einmal alles zusammengetragen wird, was von Verirrungen im Kunstgewerbe — und nicht bloß zu unsern Zeiten — geleistet worden ist. Wir haben in Pazaureks Buch ein lehrreiches Kompendium dessen, was nicht sein soll; und wollen hoffen, daß spätere Zeiten einen nicht allzu umfangreichen Nachtrag dazu zu schreiben haben werden. Die großen Hauptabteilungen sind vorzüglich bezeichnet: Materialfragen (z. B. Vergewaltigungen, Übergriffe, Protzerei am Material, Surrogate, Pimpeleien, schlechtes Material u. s. f. ); Zweckform und Technik (übermäßige Dimensionen, verschobenes Schwergewicht, funktionelle Lügen, Plagiate usw. ); Kunstform und Schmuck (wo Pazaurek u. a. eine sehr brauchbare Mittellinie zwischen den bloßen Zweckmäßigkeitsfanatikern und dem Dekorativen zieht, S. 235ff., 265ff. ) Was sich schließlich nirgends theoretisch unterbringen ließ, wurde zuletzt unter »Kitschgesammelt.
Mit Vorliebe begibt sich der Verfasser auf das Gebiet allgemeiner ästhetischer Erörterungen über das Kunstgewerbe. Wo er indes auf das der großen Kunst übergreift, wird man ihm nicht immer folgen können; so z. B. wenn er die Pyramiden die »phantasieärmsten Protzengräber aller Zeiten« nennt oder mit noch stärkeren Kraftworten gegen die »frechen Pinseleien« von Gauguin und Matisse, »zwei Schmierern ärgster Sorte« zu Felde zieht.
War es nötig, sich derartig aufs Glatteis zu begeben? So etwas, das Schwarz auf Weiß dasteht, kann man doch beim besten Willen später nicht ableugnen. p. f. Schmidt
Julius Kurth, Der japanische Holzschnitt. München, R. Piper, 1911.
Auf 120 Seiten gibt uns der gelehrte Verfasser, dessen Utamaro-Monographie und andere Schriften über ostasiatische Malerei rühmlichst bekannt sind, eine ausgezeichnete, wenn auch durch den Andrang zahlloser Namen nicht immer leicht lesbare Skizze des japanischen Holzschnitts, Es ist trotzdem ein Buch, das im besten Sinne des Wortes populär genannt werden darf: klare Disposition des Stoffes und wissenschaftlich einwandsfreie Behandlungsweise sind hier in einer lobenswerten Weise miteinander verbunden. Die Darstellung beginnt mit dem Muku Shokö Gyö, dem ältesten Druckbuch Japans, aus dem Jahre 764, das jedoch noch keine Illustrationen enthält. Die ältesten einzelnen Bilder, Romanfragmente u. ä., wie auch das Heiji monogatari, 1629 mit Bildern gedruckt, hält der Verfasser für Ziegeldrucke, dagegen das 1608 erschienene Ise Monogatari und die zahlreich erhaltenen religiösen Einzelblätter für Bleiplattendrucke. Er neigt dazu, in dem legendarischen Erfinder des Holzstockdruckes, Moronubu, um 1650, den wirklichen Begründer dieser Kunst zu sehen. Den Schluß des Buches bildet die Betrachtung Hokusais, dessen Erscheinung für Dr. Kurth wie für die Japaner die Auflösung der alten klassischen Kunst bedeutet.
Die zahlreichen, wohlgewählten Illustrationen sind auch technisch auf der Höhe und bilden mit dem lebendig geschriebenen Text zusammen vielleicht die beste, wenn nicht die einzige kurz gefaßte Einführung in diese jetzt so populär gewordene Kunst. Aber auch für den Spezialisten sind hier wertvolle Materialien zu finden, wie neue Künstlernamen, neue Gesichtspunkte in der Einteilung und Betrachtung der Entwicklung u. dergl. Der Verfasser schöpft sein Material durchweg_ aus erster Hand, nämlich aus den japanischen Quellen. Überaus lobenswert sind auch die Anhänge: Verzeichnis der technischen Ausdrücke und Verzeichnis der Signaturen in Faksimile und Umschreibung.
Bn.
Watteau. (Klassikerder Kunst Band 21. ) Mit 182 Abbilduneng Einleitung und Anmerkungen von E. Heinrich Zimmermann. Stuttgart und Leipzig, Deutsche Verlagsanstalt, geb. 8 Mk.
Dieser Band ist doppelt willkommen, da der erste und tonangebende Maler des galanten Zeitalters in nur wenigen großen Sammlungen (in Berlin, London, Paris und Petersburg) leidlich vertreten ist, während die Masse seiner Werke sich in entlegenen oder privaten Galerien verbirgt. Daran liegt es auch, daß sein Oeuvre noch so wenig durchgeprüft ist und daß offenbar gute Photos von vielen Stücken noch nicht zu haben sind (15 Bilder sind als »fälschlich zugewiesen« verzeichnet, 10 Aufnahmen sind nachträglich eingegangen und im Anhang vereinigt). Wir erhalten also in jeder Hinsicht trotz aller Arbeit und Mühe nur ein ungefähres Bild des Meisters, und dieser Überblick macht uns staunen, wie arm seine Erfindung ist. Die Bauernkirmes und die Liebesgärten Rubens’ sind neben dem flämischen Volksstück und Gillots italienischen Komödianten seine Stoffe, nur französisch eingekleidet und frisiert und in die duftige Landschaft Claudes versetzt. Das Firmenschild zeigt ihn erst auf einer Bahn, wo er bei längerem Leben sein Eigenes hätte finden müssen. Br.
Inhalt:Ausstellung alter ostasiatischer Kunst in Berlin. — Nils Hansteen † — Personalien. — Wettbewerb um den Neubau der Düsseldorfer Kunstakademie. — Ausstellung in Paris. — Museum der bild. Künste in Budapest. — Autor des Pal. Madama in Rom; Landschaft auf Dürers
Blatt »Die Drahtziehmühle«. — Literatur.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstraße 11 a
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig