gar keinen Einfluß gehabt habe. Nur ein einziger Seicentist habe sich an ihm begeistert, Peter Paul Rubens. — Dann ergriff Henry Thode das Wort zu einer geradezu glänzenden, durch ihre Rhetorik und ihr Pathos hinreißenden Rede über die Gegensätze der Kunst des Nordens und des Südens; seine kühnen Vergleiche, die blendenden Antithesen, wie er den Garten der Villa Borghese mit Renaissancegestalten bevölkerte und dann »Hamlets bleichen Blick« auf der Terrasse von Helsingör vor uns auftauchen ließ, wirkten faszinierend.
Auf Thode folgte der kluge sachliche Holländer Jan Veth, der zu dem Kapitel der Entlehnungen Rembrandts aus italienischen Meisterwerken, die damals in Holland beheimatet waren, frappante neue Belege brachte. So bewies er uns, daß die Figur eines sitzenden Mannes auf der »Petite Tombe« genannten Radierung vollständig identisch ist mit dem von seinem Buche aufblickenden Apostel in Raffaels Transfiguration; ebenso erstaunlich wirkte die Nebeneinanderstellung von Tizians Noli me tangere mit dem Bilde Rembrandts; und für die Judenbraut findet sich das Vorbild mit derselben seltsamen Handbewegung auf einem oberitalienischen Gemälde, das in mehreren Repliken vorkommt. So zeigte Veth etwa ein Dutzend Beispiele dieser künstlerischen Formenwanderung, bei der jedesmal — und das war eben das Eindrucksvolle an der ganzen Sache — eine neue, ganz andere Seele in der unverändert entlehnten alten Form zum Leben erweckt worden ist.
Adolfo Venturi behandelte die Bedingungen der Architektur in Europa vom Einbrechen der Longobarden in Italien aus bis zum Ausgang des 11. Jahrhunderts, besonderen Wert auf die Frage des Materials legend, wobei er die Ansicht vertrat, daß die größte Schwierigkeit für die Erneuerung der Architektur von dem Mangel an Eisen und daher der Unmöglichkeit, die Steinbrüche richtig auszubeuten, herrührte. — Rudolf Kautzsch findet Beziehungen zwischen der romanischen Kunst des Mittelrheinlandes und der des nördlichen Italiens, wobei er sich in besonderer Weise mit dem Dom von Mainz und der Kirche San Giulio zu Orta (Lago d’Orta) beschäftigte und zeigte, wie die rheinische romanische Kunst einen ganz individuellen und unabhängigen Charakter hatte. — Montelius ging in seinem Vortrag auf die Zeit des 5. bis 8. Jahrhunderts zurück und findet auch da Beziehungen zwischen Schweden und der Mittelmeerkunst, die ihren Einfluß nach dem Norden hin ausübte. — Große Beachtung und für viele Neues bringend, war die von Dr. Pijoan vorgelesene Abhandlung des Spaniers Elias Tormo y Monzd, des Lehrers für Kunstgeschichte an der Universität von Madrid, über den Einfluß der flämischen Kunst auf die spanischen Maler des Quattrocento. — Thomas Ashby, der Direktor der englischen Schule in Rom, legte Werke des großen englischen Malers Turner vor, um den Einfluß nachzuweisen, den Italien auf diesen hochgeschätzten modernen Meister ausübte. — Ein Ereignis wegen der großen Gelehrsamkeit, der vollendeten Form des temperament
vollen Vortrages und wegen der neuen Wege, die seine Studien enthüllten, war die Rede von Professor A. Warburg über italienische Kunst und internationale Astrologie im Palazzo Schiffanoja zu Ferrara. Von dem glänzenden Buch »Sphaera« des deutschen Gelehrten Franz Boll in Heidelberg ausgehend, zeigte Warburg, welches die bis jetzt nicht erkannten Quellen der mythologischen Zonen dieses Palastes sind und wies durch diesen Vortrag auf ganz neue Bahnen hin, die das kunsthistorische Studium im Rahmen der historischphilologischen Wissenschaften für die Zukunft einschlagen muß. Hier bei Warburg sahen wir, wie das Kleine und Kleinste dem Forschergeist sich zum Ganzen ordnet und wie aus einzelnen Bausteinen sich weite feste Brücken spannen. — Adolph Goldschmidt sprach von dem italienischen Einfluß auf die holländische Malerei des 17. Jahrhunderts, namentlich des Caravaggio. Er zeigte an mehrfachen Beispielen, daß die großen Lichtwirkungen, welche Thode in seinem oben genannten Vortrage als ein Charakteristikum der nördlichen Kunst bezeichnet hatte, aus Italien nach den Niederlanden gelangt sind, wie sie natürlich ganz selbständig sich weiter und zur allerhöchsten Höhe bei Rembrandt entwickelt haben. »Der Höhepunkt der niederländischen Kunst im 17. Jahrhundert ist ohne den Einfluß Italiens undenkbar«: das mag wohl die Quintessenz der meisterhaften, ganz frei vorgetragenen Rede Goldschmidts gewesen sein.
Nun noch einiges aus den Sektionen. In der I., der christlichen und mittelalterlichen Sektion, begann Joseph Wilpert sich für Rom gegen den Orient zu entscheiden, als er Rom als die Gründerin der altchristlichen und mittelalterlichen Mouumentalkunst bezeichnete. — Auch der Venturi-Schüler Giuseppe Galassi beschäftigte sich mit der Frage »Orient oder Rom«, da es ihm gelungen war, in San Vitale in Ravenna in der Mosaikdekoration einen byzantinischen und einen römischen Stil zu unterscheiden, die er genau voneinander trennen zu können glaubt. In Rom hat die byzantinische Kunst nur eine einzige Erscheinung aufzuweisen in der Zeit des griechischen Papstes Johann VII. In Ravenna nur unter Justinian. Im übrigen behalten die beiden Zentren die römische Tradition ununterbrochen bei. — In geistvoller Weise behandelte der amerikanische Archäologe A. L. Frothingham eine neue Methode, um byzantinische Werke und die italisch-byzantinischen zu unterscheiden, indem er auf die Orientierungsdifferenz hinwies, infolge deren Vertauschungen von rechts und links Vorkommen können. Die byzantinische Kunst stellt rechts, die griechische links. Diese Beobachtung ist für die Darstellungen auf christlichen Sarkophagen von größerer Wichtigkeit, in denen Christus dem Petrus das Gesetz übergibt. — Adolfo Venturi sprach in dieser Sektion von einer Strömung französischer Kunst in Umbrien und den angrenzenden Regionen. — Der Schwede E. Wrangel findet in der Kathedrale von Lund in Schweden italienische Einflüsse im 12. Jahrhundert. — Carotti zeigt gleichzeitig mit vlämischem Einfluß die Fortdauer der sienesischen Kunsteinwirkung in der savoyardischen Kunst. — Frau Bertini-Calasso ent