spezielle kunstgeschichtliche und ästhetische Studien weitreichendste Genüge bietend — und allwinterlich ein Zyklus von Lichtbildervorträgen über künstlerische Themata. Schließlich sind, man kann wohl sagen durch Vermittelung des Kunstvereins, mehrere große Legate in Geld und ganze Bildersammlungen dem Museum zugefallen: die Schlettersche, Grassische, Petschkesche Stiftung, die Sammlungen Schietter, Carl Lampe, Alfred Thieme, Gottschald, Schmidt-Michelsen u. a. m.
Wenn aber trotz all dieser Umstände und günstigen Voraussetzungen in Leipzig doch nicht Mehr und nicht Ausgezeichneteres erreicht worden ist, so erklärt sich diese Hemmung wohl vor allem daraus, daß die klassische Musikstadt, neben der Pflege der Tonkunst, für Genuß und Förderung der bildenden Künste stets nur eine verhältnismäßig laue Anteilnahme zu erübrigen vermocht hat und vermag. Ein wirklich passioniertes und aktiv lebendiges Interesse auf diesem Gebiet ist hier nur in einem recht beschränkten Kreis von Liebhabern anzutreffen. Im übrigen werden Kunstwerke beachtet und geschätzt, soweit sie allgemein gefällige Eigenschaften besitzen, oder unter der Ägide eines renommierten und gut empfohlenen Namens stehen. Diese Art von »Kunstsinn«, für den Kunst nicht sowohl leidenschaftliches Bedürfnis und Herzenssache als vielmehr Objekt der allgemeinen Bildung und bequemer Unterhaltungsgegenstand ist, dominiert denn sichtlich auch unter dem Publikum des Kunstvereins, dessen Ausstellungen durch Rücksichtnahme auf diese Majorität notwendig im Niveau etwas herabgedrückt werden, meist nur inmitten von allerlei Gleichgültigem oder direkt Schlechtem einzelne wirklich wertvolle, fortschrittliche Darbietungen vorzuführen pflegen.
Für die Jubiläumsausstellung aber ist man denn doch bestrebt gewesen, möglichst nur gute Qualität und Namen von anerkannter Bedeutung zusammenzubringen, wodurch zugleich eine Übersicht über die Haupterscheinungen des modernen deutschen Kunstlebens geboten werden sollte.
Auffallend reichlich sind auf dieser Ausstellung, die zugleich, ihrer Veranlassung gemäß, einen etwas retrospektiven Charakter wohl aufkommen lassen durfte, die älteren Meister vertreten: Hans Thoma mit zwei seelenvollen, warmtonigen Landschaften und einem Figurenstück (»Der verlorene Sohn«), dessen feine graugrünliche Farbenstimmung seiner frühen Art verwandt ist; Karl Haider mit einem großen feierlichen Landschaftsbild »Über allen Wipfeln ist Ruh«; dann Joh. Sperl, der Genosse Leibis, und der erst kürzlich wieder »entdeckte« K. Hagemeister, dessen warmer, kraftvoller, an Courbet erinnernder Farbensinn sich in zwei großen Landschaftsstudien sehr vorteilhaft dokumentiert; endlich einige frühe, auffallend feine Arbeiten der beiden Münchener A. von Keller und Habermann (Selbstporträt von 1876).
Von der neueren deutschen Malerei ist dann natürlich die einheimische und benachbarte Produktion vornehmlich berücksichtigt; die hauptsächlichen Meister aus Leipzig, Dresden und Weimar figurieren hier meist mit einzelnen namhaften und charakteristischen Werken: also Klinger (das diesen Sommer in Dresden gezeigte
monumentale Zweifigurenbild »Quellnymphe«), Greiner (»Atelierszene«), dann aus Dresden Bantzer, Kuehl, Rob. Sterl und Zwintscher sowie zwei jüngere, aber auch in Leipzig schon vorteilhaft bekannte: F. Dorsch und H. Nadler, aus Weimar L. von Hofmann und Hans Olde, mit einem imposanten ganzfigurigen Damenbildnis.
Die Münchener Malerei in ihrer farbenfrohen, breitflächigen, gewandt dekorativen Art hat im Leipziger Kunstverein stets ein sehr dankbares Publikum gefunden; das erklärt den unverhältnismäßig breiten Raum, der in dieser Ausstellung Künstlern wie Putz, Erler, Walter Georgi usw. eingeräumt wurde. Weiter Landschaften von Rich. Kaiser, Ad. Hengeler, und — sehr eigentümlich in ihrer raffinierten Naivität —, von Th. Th. Heine. Die Berliner Sezession ist daneben numerisch nur schwach vertreten, qualitativ aber sehr vorzüglich durch je zwei Porträts von Liebermann und Slevogt, eine große figurale Komposition von Corinth (»Versuchung des hl. Antonius«) und Landschaften von Ulrich Hübner. Schließlich in isoliertem Auftreten zwei gute Trübner-Landschaften, ein ganz pariserisch gemaltes, sonneflimmerndes Parkbild (»Jardin du Luxembourg«) von Rich. Bloos, eine überraschend kraftvolle Alpenszenerie des sonst in Holland lebenden, aus Leipzig gebürtigen J. G. Dreydorff, zwei ideale Figurenbilder des Worpsweders Vogeler, und endlich, was in Leipzig u. W. noch nie gezeigt wurde, zwei große Figurenbilder Hodlers: eine »Tänzerin«, wohl aus der letzten Zeit, und der etwas ältere, jäh bildauswärts stürmende »Ahasverus«. Aber auch an guter Plastik fehlt es in dieser Ausstellung nicht, genannt seien Porträtbüsten von C. A. Bermann, R. Diez, A. Volkmann, Benno Elkan, größere Figuren von Klimsch, (»Mädchenakt« in Holz), Kolbe (»Tänzerin«), F. Poeppelmann, Sascha Schneider (Marmorfigur eines »Gürtelbinders von etwas weichlicher aber nicht uninteressanter Ausführung), einzelne Tierfiguren von Fritz Behn, Gaul und Tuaillon. Alles in allem eine Ausstellung die, nicht bloß für Leipziger Ansprüche, sehr Bemerkenswertes bietet; zwar im Ganzen weniger der jungen Kunst von Heute und Morgen als der teilweise schon etwas alt und routiniert gewordenen von Gestern gewidmet, aber doch mit ihren nicht einmal hundert Nummern ungewöhnlich reich an Stücken von bleibendem Wert und beinahe völlig frei von eigentlich Minderwertigem. Man darf es also auch mit gutem Gewissen wünschen, daß der bereits geäußerte Plan, gute Stücke aus der Ausstellung durch Ankauf dem Museum zu erhalten, in möglichst weitem Umfang sich realisieren möge. Dr. M. W.
NEKROLOGE
In Florenz ist der Bildhauer Friedrich Beer gestorben. Mit ihm ist ein reich begabter Künstler dahingegangen. Er war in Brünn am 1. September 1846 geboren, arbeitete fünf Jahre unter Franz Bauer und Radnitzky an der Wiener Akademie und ging dann nach Rom. Bekannt ist sein lebensgroßer Dürer als Knabe in der Berliner Nationalgalerie und von seinen zahlreichen Büsten die Munkacsys im Pester Nationalmuseum. Seit 1875 lebte Beer meist in Paris, wo er auf den Ausstellungen des Salons häufig vertreten war.