Starre genommen, sie durch eine Wendung des Kopfes, durch eine bewegtere Hand- und Fußstellung reicher gestaltet, ohne ihre monumentale Würde anzutasten. Diese Skulptur ist ein Werk von hoher Schönheit und herrlicher Geschlossenheit der Wirkung geworden. Der Architektur fehlt durch die toskanisch-klassizistische Beimischung, die sie erfahren hat, das Hinreißende, persönlich Packende, das sie besaß. Aber die Art, wie Kreis sich gebändigt und die neuen Elemente mit den alten zur Einheit verschmolz, ist bewundernswert und sichert dem Ganzen die Zustimmung auch der bisher Grollenden.
Für ein Denkmal für Franz Abt hat der Berliner Bildhauer Viktor Heinrich Seifert den Auftrag zum Entwurf erhalten. Das Denkmal soll in Eilenburg, dem Geburtsort des Liederkomponisten, 1913 enthüllt werden.
Ein Grabmal für Wilhelm Jensen ist auf dem Friedhof der Insel Frauenchiemsee, wo der Dichter 1911 bestattet wurde, aufgestellt worden. Schöpfer desselben ist der Münchner Bildhauer Bernhard Bleecker, der jetzt auch den Auftrag für die Richard-Wagner-Büste in der Walhalla erhielt.
AUSSTELLUNGEN
Berliner Ausstellungen. Der Salon Cassirer hat zur Eröffnung seiner bedeutend erweiterten Räumlichkeiten, die nun das ganze Haus der Kunsthandlung und des Verlags in der Viktoriastraße einnehmen, eine Ausstellung veranstaltet, wie man sie kaum schon gesehen hat. Der Besitzer führt, zum Beginn des fünfzehnten Jahrgangs seines Geschäfts, hier einmal eine »Muster-Kollektion« von wahrhaft großartiger Wirkung vor. Er wollte einen Überblick über das geben, was er in diesen anderthalb Jahrzehnten getrieben, propagiert, ausgestellt und verkauft hat, und er erreichte das, indem er von allen bedeutenden Meistern, in deren Dienst er sich gestellt, hervorragende Werke zusammenrückte, zum großen Teil sogar Arbeiten ersten Ranges und von repräsentativer Geltung. Manets Folies Bergère-Bar, die aus der Sammlung Pèlerin stammt, thront im Mittelpunkt und rings gruppieren sich Bilder der französischen Führer von Géricault, Delacroix und Daumier an bis zu Vuillard und Roussel, Gemälde der Deutschen, von Leibi und Liebermann bis Beckmann, Rösler und Brockhusen, Skulpturen von Rodin bis Mailol und Barlach. Es ist eine imposante Gesellschaft, ganz aus dem Prinzip einer strengen Auslese zusammengebeten, und sie stellt mit ihren hundert Werken etwas dar wie den Kern einer mit Sorgfalt und Geschmack komponierten modernen Galerie. Man möchte wünschen — was wohl aber leider kaum in Erfüllung gehen wird, — daß ein großherziger Kunstfreund ein paar Millionen aus seiner Tasche holt und das Ganze etwa der Stadt Berlin zum Geschenk macht, die um diesen unvergleichlichen Grundstock das städtische Bildermuseum herumkristallisiert, das sie plant. Es ist ein außerordentlicher Genuß, die Reihe abzuschreiten und zugleich zu beobachten, wie gut sich die verschiedenen Temperamente vertragen, wie zwanglos sich die Deutschen den Franzosen angliedern, wie machtvoll sich die großen fortschrittlichen Prinzipien der europäischen Malerei des 19. Jahrhunderts in diesen Zusammenhängen offenbaren. Paul Cassirer hat zu dem kleinen Katalog ein Vorwort geschrieben, in dem er mit begründetem Stolz auf diese Schar hinweist, als wollte er sagen: Seht, solche Werte habe ich in Berlin importiert! Niemand wird ihm den Dank dafür schuldig bleiben. Aber wenn er nun die Gelegenheit zu einer spitzigen kleinen Polemik gegen diejenigen benutzt, die es wagen, auch die allerjüngste Entwicklung aufmerksam zu verfolgen, so muß das zurückgewiesen werden. Cassirer
hat sich da eine neue Formel zurechtgelegt: nicht die Entwicklung sei die Hauptsache, sondern das einzelne Werk. Früher klang es manchmal anders. Und es ist kein Zweifel, daß auch die Entwicklung an sich, selbst da, wo sie noch kein Bataillon von Genies aufzuweisen hat, ihr Interesse beansprucht und wichtig ist. Der Fall wäre belanglos, wenn er nicht aufs Neue die Nervosität und Eifersucht der Sezessionspartei fast drollig beleuchtete. Warum so aufgeregt, meine Herren? Kein Mensch glaubt heute, daß in dem gährenden »Expressionismus« (benutzen wir einmal dies zufällig entstandene, uncharakteristische Schlagwort) so viel Reife und meisterliche Abgeschlossenheit zu finden sei wie im mählich klassisch gewordenen »Impressionismusund in der Kunst, die ihn vorbereitete und ihm unmittelbar folgte. Unsere ehrfürchtige Liebe zu den Meistern des 19. Jahrhunderts wird dadurch, daß wir uns auch mit der Jugend des 20. beschäftigen, nicht berührt.
Der Zufall will, daß zu gleicher Zeit eine große Kollektivausstellung von Wassili Kandinsky, die der »Sturm« veranstaltet hat, die allermodernste Malerei in ihren extremsten und radikalsten Vertreter in Berlin ins Treffen führt. Dieser in München lebende Russe ist ein echter Repräsentant der theoretisierenden Grübelei, in der sich die aufsteigende Generation heute verstrickt, weil sie den Ausdruck für die neue Sehnsucht, die sie in sich spürt, meist nicht organisch aus sich entwickeln kann. Kandinsky ist erst spät zur Kunst gekommen. Er war erst Nalionalökonom, Gelehrter, »Attaché« der Moskauer Universität, dann, mit einem Sprung aus der Wissenschaft in die Praxis, Direktor einer Druckerei. Erst 1896 vollzog der damals Dreißigjährige seinen Übergang zur Malerei, wobei er mit originellen Illustrationen und dekorativen, recht geistreichen Blättern aus dem russischen Leben debutierte, um sich dann in seine merkwürdige Doktrin von der Farbe und der Form »an sich« zu verbohren. Er hat ja über seine Absichten ein lesenswertes Buch geschrieben (»Über das Geistige in der Kunst«), in dem ein mehr wissenschaftlich geschulter als künstlerisch empfindender Kopf sich einem erklügelten System in die Arme wirft. Kandinsky beneidet die Musik um ihrer absoluten Töne willen, die, losgelöst von allen konkreten Vorstellungen, imstande ist, Gefühle, Empfindungs-, Stimmungs-, Seelenzustände direkt auszudrücken. Und er möchte das in der Malerei ebenfalls erreichen. Durch Bilder, die gar nichts Wirkliches mehr darstellen, selten nur verschwommene Erinnerungen an Details der Welt zulassen, die sich vielmehr völlig auf abstrakte, nur in einem erweitertem Reich der Mathematik, der Geometrie oder Stereometrie existierende Formgebilde und auf kaleidoskopisch, doch sorgsam bedachte Farbenmischungen beschränken. Er überläßt sich dabei nicht dem Zufall und der Laune, sondern sucht genau die Stimmungswirkungen seiner Form und Farbelemente zu berechnen, wobei er den einzelnen koloristischen und linearen Werten musikalische, seelische und gleichsam theosophische Bedeutung beimißt und mit ihnen als mit Symbolen operiert. Es ist fesselnd, wie er sich dafür eine Art Kodex ausgearbeitet hat (in jenem Buche); aber die ganze Doktrin zerfließt doch von selbst. Die Musik ist eine rein abstrakte Kunst. Die Malerei aber entlehnt alle ihre Farbenvorstellungen aus der Erfahrung des Auges, die sich nicht ausschalten läßt. Die Farben können wohl auch — das wissen wir alle — auf dem Umweg über die Sinne auch unsere Empfindung beeinflussen, aber doch immer nur im engsten Anschluß an die Erscheinungen der Wirklichkeit. Mit solchen Experimenten des Intellekts kommen wir allerdings nicht weiter. Die Jugend mag sich hüten, vor lauter Logik und Gedankenkonsequenz die Frische des Schaffens zu verlieren.
m. o.