Chemnitz. Die Oktober-Ausstellung der Kunsthütte ermöglichte durch die Aufnahme von 18 Werken des Kölner Künstlers Friedr. Aug. Weinzheimer die wertvolle Bekanntschaft mit einem jungen Könner. Ganz abgesehen von seinem wirklich bedeutenden zeichnerischen Vermögen, dessen glänzenden Beweis das »Empfindung« genannte Bild bietet, zieht die Durchführung seiner persönlichen Erkenntnis von Rhythmus und Komposition im Bilde außerordentlich an. Wie überraschend ist die Wirkung seiner »Blauen Stunde«! Ein aufbegehrendes Weib an der Seite des kraftlos hingesunkenen Mannes einzig durch zwei großzügig komponierte Linien zusammengehalten. Die Konturen des männlichen Aktes sind im bewußten Einklang zu den wenigen Linien der Natur gestaltet; dazu die brünstige, fast morbide Sinnlichkeit der Gruppe ergeben diesen interessanten, bedeutenden Gesamteindruck. Daneben das ganz monumental empfundene »Martyrium des heiligen Sebastian«, wo der Aufbau der Figuren in seiner streng behaupteten Gliederung stark an Dürer erinnert; man vergleiche nur eine von dessen Kreuzigungsgruppen. Die farbig betonten Bogen und Köcher der Schützen wirken hier hervorragend in sparsam betonter dekorativer Absicht, ohne die einheitliche Wirkung zu zerstören. Leider zerreißt das koloristisch ganz glänzend wiedergegebene, leuchtend rote Tuch auf dem Bilde »Mann und Weib« unbedacht die sonst gute Komposition. Zweifelsohne hat Weinzheimer den virtuos behandelten männlichen Rückenakt nur noch durch den intensiv roten Hintergrund betonen wollen; aber solche Einzelheiten dürften nicht auf Kosten des Gesamteindruckes geschehen. Hier liegen noch Wege, auf denen Weinzheimer seine künstlerische Persönlichkeit weiterentwickeln kann, ohne dabei an Ursprünglichkeit und Kraft zu verlieren. Die Tongebung seiner Farbenstudie »Das Weib« deutet auf innerliche Beziehungen des Künstlers zur Glasmalerei. Vielleicht erfüllen sich bei nächster Gelegenheit auch die hieran geknüpften Erwartungen. st.
Die russische Akademie der Künste hat die Beteiligung an der elften Internationalen Kunstausstellung in München 1913, die von der Künstlergenossenschaft und der Sezession veranstaltet wird, beschlossen. Da die russischen Künstler ultramoderner Richtung mit ihren bisherigen Erfolgen in München unzufrieden sind, so wird sich vermutlich die Gruppe der Teilnehmer an der Ausstellung ausschließlich aus Akademikern und ihnen nahestehenden Malern zusammensetzen.
LITERATUR
Zeichnungen alter Meister im Kupferstichkabinett des Großherzogi. Museums zu Weimar. Erste Serie. Herausgegeben von Hans v. d. Gabelentz. (Erste Veröffentlichung der Prestelgesellschaft. ) Frankfurt a. M. 1912. Fol. —
Veröffentlichungen alter Zeichnungen können wir uns gar nicht genug wünschen. Sie geben uns die edelsten Objekte bildender Kunst in einer Wiedergabe, deren Treue sich dank der Vervollkommnung moderner Technik kaum noch überbieten läßt. Der Wert alter Zeichnungen wird im Laufe der Zeit auch dadurch noch erhöht, daß sie bei sorgsamer Aufbewahrung den Alterskrankheiten verwandter Kunstwerke, z. B. der Ölgemälde, minder ausgesetzt sind. — So wollen wir denn auch das groß angelegte Unternehmen der Prestelgesellschaft dankbar begrüßen, um so mehr als die erste Veröffentlichung von der Zukunft das Beste erwarten läßt.
Die Anforderungen an eine solche Publikation betreffen dreierlei: die Auswahl des Stoffes, seine kritische Bearbeitung und seine technische Reproduktion. In letzterer Beziehung genügt unser Heft den höchsten Ansprüchen. Man vergleiche nur das Dürerische Jünglingsbildnis von 1521 (Nr. 5) mit dem Lichtdruck bei Lippmann (158), der uns doch damals bewundernswürdig genug zu sein schien. Wie viel feiner nuanciert ist dieser Lichtdruck, wie viel näher steht er dem Leben des Originales! Die kritische Bearbeitung ist, wie gewöhnlich bei derartigen Publikationen, auf die knappsten Angaben beschränkt. Das ist eine Auffassung, die sich schon damit verteidigen läßt, daß die meisten Zeichnungen bei so vollendeter Reproduktion abgesehen von der Bestimmung ihres Meisters zu weiteren wesentlichen Anmerkungen keinen Anlaß geben. Immerhin wäre es erwünscht, in einigen Fällen — bei streitiger Urheberschaft oder bei den Beziehungen zu anderen Arbeiten desselben Meisters — Gelegenheit zu einer ausführlicheren Erklärung zu geben. Beispielsweise würde man gern neben einer Studie eine verkleinerte Reproduktion des vollendeten Kunstwerks sehen, zu dem jene benutzt wurde oder etwa neben einer freien Kopie die Reproduktion seines Originales. Zu solchen Erörterungen bietet indessen der karg bemessene Platz unterhalb der Reproduktionen keinen Raum. Daher möchten wir es für die Fortsetzung der Publikationen anheimgeben, daß jedem Hefte ein Textbogen beigegeben werde, der mit seinen Nachfolgern bein Abschluß des ganzen Werkes zu einem Bande vereinigt werden möge. Die gegenwärtige Anordnung des Textes hat noch den weiteren Übelstand zur Folge, daß die Reproduktionen häufig von ihrer Unterlage abgebogen werden müssen, wodurch sie beim Hin- und Herschieben und Einordnen Beschädigungen ausgesetzt sind. Praktischer wäre es, die Reproduktionen allseitig, zum mindesten aber an zwei Seiten aufzukleben.
Für die Auswahl ist neben der ästhetischen Qualität natürlich auch der instruktive Wert der Zeichnung maßgebend. Von großen Künstlern ist alles willkommen. Denn manchmal vermehrt das flüchtigste Gekritzel einer ersten Skizze von ihrer Hand unser Verständnis für den Entstehungsprozeß eines großen Kunstwerkes. Bei unbedeutenderen Meistern muß die Qualität des einzelnen Blattes entscheiden oder etwa Beziehungen eines kulturellen Wertes, der sich nicht immer mit dem künstlerischen Wert zu decken braucht. Besonders dankenswert ist die Publikation von Qualitätszeichnungen einer einstweilen noch unsicheren Urheberschaft. — Schließlich muß für die Auswahl auch die Frage ins Gewicht fallen, ob die Zeichnung nicht anderweitig bereits genügend veröffentlicht sei. Von den bei Lippmann und Hofstede reproduzierten Rembrandtzeichnungen dürfte ein für allemal abgesehen werden, und von den in Lippmanns Dürerkodex vorhandenen Blättern wenigstens in den meisten Fällen.
Prüfen wir unter diesen Gesichtspunkten das dargebotene Material, so freuen wir uns, die früher unvollkommen reproduzierten Zeichnungen des älteren Holbein, Baidungs und Rembrandts in außerordentlich verfeinerter Wiedergabe nochmals und jetzt erst recht zu besitzen. Auch den Dürerischen Studienkopf wird man als eine Bereicherung neben dem Exemplar bei Lippmann gelten lassen. Noch willkommener sind natürlich die zum ersten mal gebrachten Blätter. Unter den Deutschen wäre zunächst die anonyme Federzeichnung des Christusknaben unter den Schriftgelehrten zu nennen Die traditionelle Bezeichnung »Israhel von Meckenem« gibt einen beachtenswerten Fingerzeig. Denn das Blatt gehört augenscheinlich dem Grenzgebiet zwischen niederländischer und niederdeutscher Kunst an, wobei die Bestimmung des Meisters von den Spezialisten
Die russische Akademie der Künste hat die Beteiligung an der elften Internationalen Kunstausstellung in München 1913, die von der Künstlergenossenschaft und der Sezession veranstaltet wird, beschlossen. Da die russischen Künstler ultramoderner Richtung mit ihren bisherigen Erfolgen in München unzufrieden sind, so wird sich vermutlich die Gruppe der Teilnehmer an der Ausstellung ausschließlich aus Akademikern und ihnen nahestehenden Malern zusammensetzen.
LITERATUR
Zeichnungen alter Meister im Kupferstichkabinett des Großherzogi. Museums zu Weimar. Erste Serie. Herausgegeben von Hans v. d. Gabelentz. (Erste Veröffentlichung der Prestelgesellschaft. ) Frankfurt a. M. 1912. Fol. —
Veröffentlichungen alter Zeichnungen können wir uns gar nicht genug wünschen. Sie geben uns die edelsten Objekte bildender Kunst in einer Wiedergabe, deren Treue sich dank der Vervollkommnung moderner Technik kaum noch überbieten läßt. Der Wert alter Zeichnungen wird im Laufe der Zeit auch dadurch noch erhöht, daß sie bei sorgsamer Aufbewahrung den Alterskrankheiten verwandter Kunstwerke, z. B. der Ölgemälde, minder ausgesetzt sind. — So wollen wir denn auch das groß angelegte Unternehmen der Prestelgesellschaft dankbar begrüßen, um so mehr als die erste Veröffentlichung von der Zukunft das Beste erwarten läßt.
Die Anforderungen an eine solche Publikation betreffen dreierlei: die Auswahl des Stoffes, seine kritische Bearbeitung und seine technische Reproduktion. In letzterer Beziehung genügt unser Heft den höchsten Ansprüchen. Man vergleiche nur das Dürerische Jünglingsbildnis von 1521 (Nr. 5) mit dem Lichtdruck bei Lippmann (158), der uns doch damals bewundernswürdig genug zu sein schien. Wie viel feiner nuanciert ist dieser Lichtdruck, wie viel näher steht er dem Leben des Originales! Die kritische Bearbeitung ist, wie gewöhnlich bei derartigen Publikationen, auf die knappsten Angaben beschränkt. Das ist eine Auffassung, die sich schon damit verteidigen läßt, daß die meisten Zeichnungen bei so vollendeter Reproduktion abgesehen von der Bestimmung ihres Meisters zu weiteren wesentlichen Anmerkungen keinen Anlaß geben. Immerhin wäre es erwünscht, in einigen Fällen — bei streitiger Urheberschaft oder bei den Beziehungen zu anderen Arbeiten desselben Meisters — Gelegenheit zu einer ausführlicheren Erklärung zu geben. Beispielsweise würde man gern neben einer Studie eine verkleinerte Reproduktion des vollendeten Kunstwerks sehen, zu dem jene benutzt wurde oder etwa neben einer freien Kopie die Reproduktion seines Originales. Zu solchen Erörterungen bietet indessen der karg bemessene Platz unterhalb der Reproduktionen keinen Raum. Daher möchten wir es für die Fortsetzung der Publikationen anheimgeben, daß jedem Hefte ein Textbogen beigegeben werde, der mit seinen Nachfolgern bein Abschluß des ganzen Werkes zu einem Bande vereinigt werden möge. Die gegenwärtige Anordnung des Textes hat noch den weiteren Übelstand zur Folge, daß die Reproduktionen häufig von ihrer Unterlage abgebogen werden müssen, wodurch sie beim Hin- und Herschieben und Einordnen Beschädigungen ausgesetzt sind. Praktischer wäre es, die Reproduktionen allseitig, zum mindesten aber an zwei Seiten aufzukleben.
Für die Auswahl ist neben der ästhetischen Qualität natürlich auch der instruktive Wert der Zeichnung maßgebend. Von großen Künstlern ist alles willkommen. Denn manchmal vermehrt das flüchtigste Gekritzel einer ersten Skizze von ihrer Hand unser Verständnis für den Entstehungsprozeß eines großen Kunstwerkes. Bei unbedeutenderen Meistern muß die Qualität des einzelnen Blattes entscheiden oder etwa Beziehungen eines kulturellen Wertes, der sich nicht immer mit dem künstlerischen Wert zu decken braucht. Besonders dankenswert ist die Publikation von Qualitätszeichnungen einer einstweilen noch unsicheren Urheberschaft. — Schließlich muß für die Auswahl auch die Frage ins Gewicht fallen, ob die Zeichnung nicht anderweitig bereits genügend veröffentlicht sei. Von den bei Lippmann und Hofstede reproduzierten Rembrandtzeichnungen dürfte ein für allemal abgesehen werden, und von den in Lippmanns Dürerkodex vorhandenen Blättern wenigstens in den meisten Fällen.
Prüfen wir unter diesen Gesichtspunkten das dargebotene Material, so freuen wir uns, die früher unvollkommen reproduzierten Zeichnungen des älteren Holbein, Baidungs und Rembrandts in außerordentlich verfeinerter Wiedergabe nochmals und jetzt erst recht zu besitzen. Auch den Dürerischen Studienkopf wird man als eine Bereicherung neben dem Exemplar bei Lippmann gelten lassen. Noch willkommener sind natürlich die zum ersten mal gebrachten Blätter. Unter den Deutschen wäre zunächst die anonyme Federzeichnung des Christusknaben unter den Schriftgelehrten zu nennen Die traditionelle Bezeichnung »Israhel von Meckenem« gibt einen beachtenswerten Fingerzeig. Denn das Blatt gehört augenscheinlich dem Grenzgebiet zwischen niederländischer und niederdeutscher Kunst an, wobei die Bestimmung des Meisters von den Spezialisten