trug, bestand darin, daß jene Künstlergruppe zwar nach einem neuen Ideal trachtete, jedoch tatsächlich bewußt und unbewußt sowohl technisch wie inhaltlich die Vorgänger Raffaels nachahmte. Sie wollten die Dekoration und das Konventionelle durch Ausdruck, gesteigerte Lebhaftigkeit und Freiheit der Bewegung ersetzen. Ich bin ziemlich sicher, daß die Ägineten seinerzeit gerade so gegenüber der phönizischen, der ägyptischen und cyprischen Bildhauerkunst, oder doch ähnlich wie die Präraffaeliten gesprochen haben.
Eines der hier befindlichen Hauptbilder von Burne- Jones ist »König Cophetua und das Bettlermädchen“. Der König, in voller Rüstung, mit seiner Krone in den Händen, auf einer Stufe rechts des goldenen Thrones sitzend, blickt in Liebe und Bewunderung nach dem in Grau gekleideten Bettlermädchen, das er auf seinen Thron emporgehoben hat. Cophetua legt seine Krone, indem er dem Bettlermädchen den Sitz auf dem Thron einräumt, ideell und tatsächlich zu Füßen. Den bezüglichen Stoff hat Burne- Jones einer alten Ballade aus der Zeit der Königin Elisabeth entnommen, ein Gedicht, das Shakespeare mehrfach erwähnt und welches auch Tennyson für seine lyrische Dichtung als Unterlage benutzte. Die Verse, in der alten englischen Mundart geschrieben und den Inhalt des Bildes hinlänglich erklärend, lauten wie folgt:
»But marke, what hapned on a day, As he out of his window lay He saw a beggar all in grey
The which did cause him paine.
The beggar blusheth scarlet red
And straight againe as pale as lead, But not a word at all she said, She was in such amaze.
At last she spake with trembling voyce, And said: O King I doe rejoice
That you will take me for your choice, And my degree’s so base. «
Der Schönheit und Jugend, verkörpert in einer edlen Frauengestalt, gleichviel ob sie eine Bettlerin ist, beugt sich der König und legt ihr, voller Liebe und Bewunderung, Herz und Krone zu Füßen.
Die Farben des Gemäldes sind nachgedunkelt; es glüht, funkelt und leuchtet, aber nicht in farbenfrohem, hellem, heiterem, venezianischem Glanz. Eine düstere Stimmung lagert über dem ganzen Werke, dessen Farben zwar schimmern und schillern, aber so, als wenn sie mit einem leichten Flor überzogen und abgedämpft, als ob es Interferenzfarben wären. Im übrigen vermag in Burne- Jones’ »König Cophetua« ein Anklang an Mantegna’s »Vierge de la Victoire«, im Louvre in Paris, und an Franz von Gonzaga gefunden zu werden.
Die in der Tate Gallery vorhandenen Bilder, die die Artus-Sage behandeln, erinnern uns daran, daß Burne-Jones der pessimistische, der melancholische Darsteller seines Ideals, des Keltentums, ist, der seinen Helden, den König Arthur, noch immer im mystischen Avalon weilen läßt, der selbst unerlöst und nicht imstande ist, durch seine Wiederkehr das mehr als 1000 Jahre auf ihn vertrauende und treulich ausharrende Volk zu erretten. Umgekehrt offenbart sich Tennyson in allen seinen Dichtungen als ein glühender Optimist.
Von weiteren zur Besichtigung gebotenen Werken Burne-Jones nenne ich zunächst »Clara« und »Sidonia von Bork“. Diese beiden aus dem Jahre 1860 stammenden Aquarellbilder erregten seinerzeit große Freude bei Ruskin und den Präraffaeliten. Die beiden Figuren stellen die
Heroinen aus Pastor Meinholds »Sidonia von Bork, die Klosterhexe« dar, ein Buch, für das sich namentlich König Friedrich Wilhelm IV. lebhaft interessierte. Alsdann erwähne ich eines der besten Gemälde des Meisters »Pan und Psyche«. Der Inhalt ist dem »Earthly Paradise« von Morris entnommen und lautet etwa wie folgt: Psyche, untröstlich über den Verlust ihres Geliebten, wirft sich in den Fluß; dieser aber will, daß sie lebt und geleitet sie sanft auf eine Wiese, von der Pan, der Hirt, seinen Blick über das Wasser schweifen läßt. Pan kniet auf einem Felsen in der Landschaft, beugt sich zart auf die dem Wasser entsteigende Psyche herab und legt seine Hand auf ihr Haupt. Diesen ganzen äußeren Hergang hat Burne- Jones meisterhaft vertieft und seelisch empfunden, indem er alles Geschehene in einen einzigen Hauptmoment zusammenfaßt, den er in den Gesichtsausdruck der beiden handelnden Personen hineinverlegt und durch den er uns nicht nur die augenblickliche Situation erkennen läßt, sondern auch die frühere erklärt. Der ängstlich fragende, forschende und gespannt erwartungsvoll auf Pan gerichtete Blick des jungen, liebenden Mädchens ruft dessen Reue, Mitleid und von neuem seine Liebe hervor. Dadurch, daß Pan die Hand auf ihr Haupt legt, deutet der Künstler sinnig jene Liebe an, die als die veredelte von Dauer sein wird. Schließlich sollen wenigstens so bedeutende Werke wie »Liebe unter Ruinen«, »Lanzelot und das Heiligtum des Graals«, sowie Sujets aus der »Faerie Queen« genannt werden.
Ein wieder zu neuem Leben erwecktes Ausstellungslokal ist die 1875 ursprünglich gegründete »Grosvenor Gallery«, die dann aber nach und nach einging. Hier stellten die Präraffaeliten und so auch Burne-Jones zuerst aus. Die Wiedereröffnung der Galerie geschah durch eine sehr hübsche Ausstellung von Kostüm-Entwürfen zum »Wintermärchen«, die Albert Rothenstein gezeichnet hatte.
In der »Leicester-Gallery« sind es augenblicklich Landschaften und verwandte Sujets, vor allem außerordentlich gut gelungene Werke von George Clausen, die eine berechtigte Anziehungskraft auf das kunstliebende Publikum ausüben.
Aus der überreichen und vielleicht später noch zu besprechenden Anzahl von Ausstellungen will ich heute nur eine solche des löblich bekannten Photographen Frederick Hollyer nennen. Dieser hat seit einiger Zeit nämlich Experimente vorgenommen, um technisch den Prozeß des Dreifarbendrucks zu verbessern und künstlerischer zu entwickeln. Die Resultate dieser Bemühungen liegen jetzt vereint in einer Ausstellung in seinem Atelier 9, Pembroke Square vor und gewähren einen Einblick in den wirklich erreichten Fortschritt des betreffenden Spezialzweiges. Wer da weiß, wie schwer es sich gestaltet, z. B. nach venezianischen Aquarellen Turners den richtigen Ton der Atmosphäre wiederzugeben, der wird den hier vorliegenden Arbeiten Mr. Hollyer’s sicherlich seine volle Anerkennung nicht versagen können. Andere gut gelungene Blätter sind farbige Reproduktionen nach Werken von Rossetti, Burne-Jones, Corot und Solomon, o. v. Schleinitz.
Straßburg i. Elsaß. Im Elsässischen Kunsthaus fand in der Zeit vom 23. September bis 22. Oktober eine Sonderausstellung des Straßburger Malers Luden Haffen statt. Zurzeit hat der in Straßburg ansässige Maler und Graphiker Adolf Graeser eine Kollektivausstellung veranstaltet, welche insgesamt 43 Ölgemälde, Aquarelle und Zeichnungen umfaßt. Die Ausstellung dauert bis zum 20. November und wird dann abgelöst von einer Kollektivausstellung des Verbandes Straßburger Künstler, der bedeutendsten Künstlergesellschaft Elsaß-Lothringens.