Stellung der »Rosace«, der Kirchenrose, deren Name zuerst etwas an die mystische »Rose-Croix« erinnert. Die »Rose-Croix« machte vor zwanzig Jahren viel von sich reden. An ihrer Spitze stand der Sâr Péladan, und es gehörten ihr einige tüchtige Künstler an wie Henri Martin, Georges Desvallières und andere, die sich seither einen Namen gemacht haben. Die Rosace aber ist ganz etwas anderes. Die Rose-Croix verstand es, wie die Kubisten und Futuristen die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zu ziehen, sie wandte sich an das Tout Paris und rührte die Lärmtrommel. Daß die Rosace anders auftritt, geht schon aus der Schilderung ihres Lokals hervor.
Ich weiß nicht, ob es meinen Lesern geht wie mir, aber solche Narren sind mir sympathisch. Die lauten, vor Eitelkeit und Scharlatanismus platzenden Jahrmarktsnarren gefallen mir gar nicht, aber solche stille Zellenbewohner und Wurzelfresser haben meine Sympathie, so verrückt sie mir im übrigen auch Vorkommen mögen. Der Bund der Rosace wurde vor drei oder vier Jahren von Bruder Angel gegründet. Angel ist nicht der Familiensondern der Vorname und alle andern Mitglieder des Bundes heißen ebenfalls nur nach ihrem Vornamen: Bruder René, Bruder Eugène, Bruder Gaston usw. Und diese Bezeichnung ist nicht nur eine spaßige Erfindung wie die des Titels Sâr bei der Rose-Croix: die Brüder sind wirklich in den Franziskanerorden eingetreten und befleißigen sich als Tertiarier eines gottgefälligen Lebenswandels.
Daß es schon einmal Deutsche gegeben hat, die vor hundert Jahren in Rom sich zusammentaten, um Kunst und katholischen Kirchenglauben zusammenzuschmelzen, scheinen die Franzosen nicht zu wissen, oder aber es steht ihnen nicht an, ein deutsches Vorbild zu nennen. In ihrem Programm werden vielmehr die englischen Präraffaeliten erwähnt, die doch nur insofern mit ihnen Ähnlichlichkeit haben, als sie auf die fromme, naive Kunst der Frührenaissance zurückgriffen. Was den katholischen Kirchenglauben anlangt, hatten die Engländer mit der Brüderschaft der Rosace nichts gemein, wogegen die Nazarener genau mit ihnen übereinstimmen. Leider aber scheint heute die Zeit noch weniger günstig für derartige Kunstbestrebungen zu sein als der Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. Was die Brüder der Rosace uns zeigen, reicht nicht entfernt an die Kunst Overbecks, Schadows, Cornelius’ und Führichs heran, obschon sie sich auf den gleichen Bahnen bewegen. Wie jene suchen sie ihre Vorbilder bei Giotto, Fra Angelico, Lorenzo Monaco und ähnlichen Meistern, und was sie leisten, sind immerhin recht löbliche Schülerarbeiten, mit treuem Fleiß und kindlicher Andacht ausgeführt. Den Meister aber sucht man bei den Künstlern der Rosace vergebens.
Wenn man die steile Stiege erklommen hat, wird man von Bruder Angel empfangen, der den Gästen seine und seiner Genossen Arbeiten erklärt. Ein großer Teil der übrigens wenig zahlreichen Besucher gehört dem geistlichen Stande an und vermag darum den Erklärungen eher zu folgen, mit denen uns Bruder Angel folgt. Der Stifter der Rosenbrüder paßt vortrefflich in die von ihm übernommene Rolle. Er sieht bleich und asketisch aus, hat einen jungfräulichen Bart und ebensolche Locken, schaut höchst naiv und einfältig aus den etwas eingesunkenen Augen und spricht in einem sanften, liebreichen Tone.
Diese frommen und stillen Maler verdienen nicht sowohl Erwähnung um der künstlerischen Bedeutung ihrer Arbeiten willen, als wegen der symptomatischen Bedeutung ihres Auftretens gerade in einer Zeit, wo der Händler und der Geldbeutel in der bildenden Kunst mehr Bedeutung haben als irgend eine von Erdenschlacken befreite Idee. Und man mag sich zur Kirche stellen wie man will: ein Mann, der
für den katholischen Glauben malt, ist immer noch sympathischer als einer, der für den Geldbeutel und für den Handel arbeitet. Darum ziehe ich die stillen Brüder in ihrem abgelegenen Winkel an der Rue Vaugirard den lauten Tamtamschlägern an der Rue La Boetie oder am Boulevard vor, zumal sie auch künsterisch wenigstens diesen Radaubrüdern voranstehen, so mittelmäßig ihre Leistungen im übrigen auch sein mögen. k. e. Sch.
NEKROLOGE
In Paris ist der im Jahre 1851 in Toulouse geborene Bildhauer Theodore Rivière gestorben. Er hatte sich hauptsächlich durch seine aus edlem Material, vorzugsweise aus Elfenbein gebildeten, mit kostbaren Steinen, ziseliertem Golde und sonstigem Schmucke gezierten Statuetten bekannt gemacht, wovon die Gruppe »Salammbo und Matho«, eine Illustration zu einer Szene aus Flauberts Roman »Salammbo«, Aufnahme im Luxembourg gefunden hat. Rivière ist auch der Schöpfer des Denkmals, das man dem provençalischen Dichter Frédéric Mistral schon bei seinen Lebzeiten in Arles gesetzt hat.
PERSONALIEN
Professor Ferdinand Keller in Karlsruhe wurde aus Anlaß seines 70. Geburtstages von der Technischen Hochschule Friedericiana in Karlsruhe zum Ehrendoktoringenieur ernannt. Der Künstler erhielt die Auszeichnung besonders in Anerkennung seiner hervorragenden Leistungen auf dem Gebiete der monumentalen Malerei.
Wien. Dem Architekten Oberbaurat und Professor Otto Wagner ist anläßlich seiner Übernahme in den Ruhestand vom Kaiser der Titel Hofrat verliehen worden.
Themistokles v. Eckenbrecher, einer der älteren Berliner Landschafter, vollendete am 17. November sein 70. Lebensjahr. Er ist in Athen als Kind einer deutschen Familie geboren, war Schüler Oswald Achenbachs; später machte er längere Reisen und entnahm den von ihm besuchten Ländern, vorzüglich Norwegen und der Türkei, die Motive zu seinen Bildern. Seit 1889 lebt Eckenbrecher in Berlin.
DENKMALPFLEGE
Venedig. Zur Wiederherstellung der Votivkapelle, die 1867 bei S. Giov. e Paolo ein Raub der Flammen wurde, sind erfreulicherweise weitere Schritte geschehen. Papst Pius X. hat 25000 Francs geschenkt. Von hochgestellten Personen laufen Bitten ein, dem Ausschusse nützlich sein und ihm angehören zu dürfen. Da die Kapelle ein Siegesdenkmal für die Überwindung der türkischen Flotte bei Lepanto darstellt, so liegt es gerade jetzt sehr nahe, mit allen Kräften an der Wiederherstellung zu arbeiten.
DENKMÄLER
Die Gestalt des Pfarrers von Limmer bei Hannover, Jobst Sackmann, der mit seinen plattdeutschen Predigten einer der Ahnherrn niederdeutschen Humors geworden ist, soll jetzt auch ein Denkmal erhalten. Prof. Karl Gundelach- Hannover hat den Entwurf zu einem würdigen Denkmal geschaffen.
WETTBEWERBE
Der Plakatwettbewerb, den die Internationale Ausstellung für Buchgewerbe und Graphik Leipzig 1914 veranstaltete, hat bis zum Einlieferungstermine rund 600 Entwürfe erbracht. Unter ihnen halten sich die reinen Schriftplakate mit den figürlichen Kompositionen die Wage, und speziell unter letzteren sind viele interessante Arbeiten.