KUNSTCHRONIK
Neue Folge. XXIV. Jahrgang 1912/1913 Nr. 40. 1. August 1913
Die Kunstchronik und der Kunstmarkt erscheinen am Freitage jeder Woche (im Juli und August nach Bedarf) und kosten halbjährlich 6 Mark. Man abonniert bei jeder Buchhandlung, beim Verlage oder bei der Post. Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstr. 11a. Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten Kunstchronik und Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigen 30 Pf. die Petitzeile; Vorzugsplätze teurer.
Die nächste Nummer der Kunstchronik, Nr. 41, erscheint Mitte August
EIN MONUMENT AL AUFTRAG AN FRANZ VON STUCK.
Von Jos. Poppelreuter
Gelegentlich der Gesamtausstellung der Werke Franz, von Stucks in Berlin hat trotz mancherlei Widersprüchen gegen Stuck als Maler bei der Kritik das Urteil von des Künstlers großer Bedeutung als Bildhauer festgestanden. Es hat sich damit jenes allgemeine Urteil als stichhaltig erwiesen, welches vor Jahren allenthalben im Lande laut wurde, als der Künstler zur nicht geringen Überraschung der Kunstwelt mit seinen plastischen Entwürfen hervortrat. Man müßte dieser Einstimmigkeit die Frage entgegenstellen, ob es denn nicht von seiten der deutschen Öffentlichkeit eine Art von Unterlassung gewesen sei, daß bis zu dieser Stunde nichts geschehen sei, um eine solch ausgesprochene bildhauerische Begabung der monumentalen Kunst zuzuführen. Das dürfte in Wirklichkeit so sein. Freilich sei zur Entschuldigung zugegeben, daß der Widerspruch mit der Gewohnheit, sich die für die Museen zu erwerbenden Skulpturen gleich in entsprechender Ausführung auf den Ausstellungen vorführen zu lassen, um Entschlüsse zu fassen, stark anzuschlagen ist; denn Ausnahmen wie diejenige von dem Auftrag der Nationalgalerie an Tuaillon für den bekannten trefflichen Herkules mit dem Eber, der, wie man hört, nunmehr zur Ausführung gelangen wird, sind eben Ausnahmen, und Stuck ist in Wirklichkeit selbst nicht mit groß ausgeführten Arbeiten hervorgetreten, so sehr einige seiner plastischen Arbeiten von Anfang an für die Großausführung gedacht waren. Wir wollen nicht über die mancherlei Gründe rechten, die hier mitgewirkt haben können, da es noch Zeit ist, das Versäumte nachzuholen.
Durch die Initiative der Stadt Köln, welche in diesen Tagen den Beschluß gefaßt hat, dem Künstler für die Skulpturensammlung des Wallraf-Richartz- Museums aus den Mitteln des Vermächtnisses Fritz Vorster für Museumsanschaffungen die Amazone in Lebensgröße in Auftrag zu geben, wird Stuck zum ersten Male in den Reihen der Monumentalbildhauer vertreten sein. Ein Zuvorkommen Amerikas, von wo aus, wie jüngst verlautete, man dem deutschen Künstler auch einen solchen Auftrag erteilen wollte, wird also nicht Tatsache werden. Mir will scheinen, die deutschen Museen hätten um so mehr Veranlassung, die bestgelungenen Skulpturen Stucks in dieser Weise zu Ehren kommen zu lassen, als aus gewissen, wohl mehr äußeren Umständen die Auswahl für starke plastische Neuerwerbungen der Museumssammlungen
keine allzugroße ist. Es ist dies die augenblickliche Lage der Ateliers. Einmal ist eine Reihe der in Betracht kommenden Talente durch die große Denkmälerproduktion unseres Landes in Anspruch genommen, sodann widmet sich ein zweiter Teil im Dienste der großen Bauproduktion mehr einer dekorativen Architekturplastik, und ein dritter Teil hervorragend begabter Künstler hat sich der Kleinplastik in einem Material wie Fayence und Porzellan zugewandt, welches nach altem Herkommen nun einmal den Kunstgewerbemuseen Vorbehalten ist, so daß ein großer Teil der besten Produktion dem Gesamtbilde unserer Plastik in den reinen Kunstmuseen entzogen wird. Bei aller Anerkennung, welche man der Tätigkeit Tschudis für die Skulpturensammlung der Nationalgalerie zollen mag, es muß ausgesprochen werden, daß der starken Stücke in dem von ihm zusammengebrachten nicht allzuviele sind, und man wird hinzufügen, nicht sein konnten aus eben jenen schon seit längeren Jahren wirkenden Umständen. Stucks beide Arbeiten dagegen, Athlet und Amazone, gehören zu dem besten, was in den letzten Jahrzehnten die Plastik allerwärts hervorgebracht hat. Sie tragen alle Merkmale des plastischen Treffers erster Ordnung an sich: das Hineinbringen einer starken dramatischen Aktion in Figuren von einfachster Linie, bei jenem das Anspannen aller Fasern und Sehnen des Körpers zum Heben der Kugel, bei dieser das Hinausschleudern der Lanze, kann nur eine ausgesprochene Begabung zum Bildhauer hervorbringen, und ich möchte sagen, es sei der Grund des Widerspruchs, welchen manches von Stucks malerischer Produktion bei der Kritik gefunden hat, darin zu suchen, daß in seinen Gemälden oft mehr Plastisches als Malerisches liegt; Figuren wie der Krieg und so manche andere, manche auch von seinen Porträts sind statuarisch empfunden. Stucks erster Ruhm war derjenige des Zeichners, und jenes Einleuchtende, welches seine Skulpturen bei ihrem ersten Erscheinen für alle Welt hatten, lag in dem Empfinden, daß hier die eigentliche Frucht aus diesem glänzenden zeichnerischen Können hervorgegangen sei. In diesen und ähnlichen Aktstudien des Künstlers steht von dem modernen Naturstudium der Deutschen Schule des Jahrhunderts mit das beste Zeugnis vor uns. Von dem glücklichen Verhältnis der Sezession zur Antike sind deshalb diese Skulpturen Stucks neben denjenigen Hildebrandts, Tuaillons und Gauls, von denen auch dieser seinen endgültigen Stil in der Bewunderung gewisser antiker Leistungen gefunden hat, das beste Zeugnis. Es ist der Boden einer eindringlichen Verbindung von Naturstudium und Studium