auch nicht in ihm wurzeln wollen. Diese Kunstrichtungen sind — und bleiben es vielleicht auch — für die süddeutsche Metropole nur Importware. In die Münchener Kunst ist eine gewisse Ruhe eingezogen. Zwischen den beiden Richtungen haben sich doch viele Ausgleiche herüber und hinüber ergeben; die Sezessionisten sind älter, ruhiger und abgeklärter geworden, die Genossenschaftler moderner und verjüngter. Ob dies ein Sammeln der Kräfte oder ein träges Einschlafen bedeutet, wer will dies sagen?
Die berühmten Namen unter der Künstlergenossenschaft versagen diesmal fast alle. Es sind auch ihrer schließlich gar nicht mehr viele. Dagegen regen sich unter den jüngeren frische Kräfte. Ich denke nur an die Landschafter Strützel, Giulio Beda und L. Bolgiano, denen allerdings der alte Gilbert von Canal mit zwei wundervoll tonigen holländischen Landschaften scharfe Konkurrenz macht. Auch im Genre wirken modernere, verjüngende Elemente, wie Carl Leopold Voß und Hans Best.
Stärker treten bei der Sezession die Persönlichkeiten hervor, wenn wir auch keine neuen Gesichter entdecken können. Eigentümlicherweise sind die bedeutendsten Bilder dem religiösen Gebiete entnommen. Franz von Stuck bringt diesmal eine Kreuzigung (die inzwischen vom Museum für bildende Künste in Leipzig erworben wurde). In den Farben hat sie fast eine Wirkung wie ein altes Glasgemälde. Nur das Ultramarin des Mantels Mariens und das Elfenbeinweiß des Leichnams leuchten aus dem schwarzgrauen Hintergrund hervor, in den auch die Silhouetten einiger weiterer Personen verschwinden. Das Künstlerisch-Dekorative hat offenbar den Schöpfer mehr gereizt, als das innere Erleben. Gerade dies betont dagegen L. Herterich, von dem wir wieder einmal ein größeres Stück sehen, in seiner herben Kreuzabnahme. Eine sehr selbständige Komposition und eine Farbengebung, die sich auf graublaue und gelbliche Töne beschränkt, erregen noch mehr Interesse für dieses tiefempfundene Kunstwerk. Becker-Gundahl bleibt in seiner »Madonna« problematisch. Neben Erfreulichem, wie in der Farbe und der Marienfigur selbst, steht Gequältes und Gekünsteltes. Anmutig in der Auffassung und warm in der Farbe ist wieder Adolf Hengelers Legende vom hl. Wolfgang. Drei Szenen aus der Leidensgeschichte von Karl Caspar zielen nach dem Höchsten, dem großen Freskostil. Es ist ein tiefes Einfühlen, ein starkes Gefühl für Linienausdruck, in gewisser Beziehung auch ein gesunder Farbensinn in ihm; ob er aber mit der Hinneigung zum Expressionismus zum Ziele kommt, muß vorläufig noch zweifelhaft bleiben. Die übrigen der Sezession schreiten auf den alten, bewährten Bahnen weiter.
Von den kleineren Bünden Münchens macht der Künstlerbund »Bayern« den geschlossensten, qualitätsvollsten und reifsten Eindruck. Hier findet man am wenigsten unter allen Münchenern Experimente. Die scharfumrissenen, klaren Landschaften Urbans, die lyrischen Naturausschnitte Rud. Siecks, die farbenfrohen Bilder Hans v. Bartels sind neben so manchem Bilde der andern Mitglieder in sich vollendete Schöpfungen. Problematischer ist die Luitpoldgruppe, wie dies die unruhigen Landschaften Fritz Baers, die wilddramatische und doch parodistische Revolution von Schnakenberg und Pampels derbe Prozession beweisen.
Nun zu den Ausländern! Österreich hat mit feinem Geschmack — und darin zeichnet es sich vor allen anderen aus — auf die große Zahl der Aussteller verzichtet. Es bringt der Hauptsache nach vier Spezialkabinette. Als ersten den Wiener Andri, Seine bekannten stilisierten Landschaften treten etwas zurück gegen archaisierende Apostelund Heiligengestalten, ln dem engen Raum wirken sie
drückend. Man kann sie erst nach den kleinen Skizzenentwürfen beurteilen, wo sie in eine raffinierte Ornamentierung eines Raumes gestellt sind. Geschmack ist in diesen Sachen, nur fast ein so morbider, wie in der Kunst Justinians. Zwei kleine Kabinette führen Prof. Rumplers ganze Entwicklung vor und ein drittes die zarten Farbenempfindungenjean Preislers-Prag. Prachtvolle Radierungen vereinigt Max Svabinsky-Prag in einem vierten Raum.
Die Schweiz tritt vollständig unter dem Banne Hodlers auf, was schon zu scharfen Kritiken Anlaß geneben hat. Er selbst zeigt nichts Neues, Max Buri scheint nur noch ein Familienmotiv zu haben.
Von Italien sind eine Menge von virtuosenhaften Porträts, sowie gediegene Landschaften zu verzeichnen.
Am besten repräsentiert sich jedoch vom Ausland Spanien. Eine geschlossene nationale Kultur gibt auch ihrer Kunst eine gemeinsame Haltung. Einflüsse der alten großen Meister wird man ja genügend nachweisen können, aber nicht etwa im Abschauen der Motive, sondern in ihrer künstlerischen Erfassung. Gerade die Bilder im großen Saal, in denen sich Monumentalität, Realistik und Symbolik ganz eigenartig verbinden, wird man nicht so leicht aus dem Gedächtnis verlieren. Chicharros Schmerz, Salaverrias Prozession, Acostas Wallfahrtskirche, de Torres’ zwei Wege, dann der beiden Zubiaurres Bilder lassen große Hoffnung auf Spaniens weiteres künstlerisches Erstarken setzen.
Frankreich leidet unter der wahllosen Zusammenstellung. Es ist gerade nichts Minderwertiges zu finden, aber das wirklich Gute muß man sich doch sehr heraussuchen. Claude Monet stellt drei Bilder aus: ein koloristisch reizvolles Blumen- und Früchtestilleben, eine duftige Flußlandschaft und eine ungemein zarte Seerosengruppe. Etwas unwahrscheinlich ist P. Signacs »grüne •Salute«. Hervorragend in der Stimmung und in der Malweise muß man A. Guillemets Mondaufgang bezeichnen. Das meiste Interesse in der französischen Abteilung werden jedoch A. Rodins Bronzen finden: vier prachtvoll modellierte Porträtköpfe, darunter der von Mahler, eine tiefergreifende Jünglingsgestalt: De Profundis und eine zusammengekrampfte Hand von einer geradezu erschreckenden Ausdrucksfähigkeit; man könnte sie ohne weiteres die Empörung nennen. Als einzige Abteilung stellt Frankreich auch kunstgewerbliche Sachen aus: farbig eminent reizvolle Steinarbeiten von Lalique sowie Keramiken, Glas usw.
Holland ist sehr konventionell. Jan Toorops neun Apostelgestalten sind problematisch. Die Realistik derselben scheint nicht ganz ihrem Charakter angepaßt. Es sind Zeichnungen für ein Abendmahl. Vielleicht wirken sie in der Gesamtkomposition überzeugender.
Auch über das benachbarte Belgien ist außer Fernand Khnopffs drei artistisch pikanten Bildern wenig hervorzuheben.
Ungarn, Rumänien, Rußland und die Türkei leben mehr oder weniger künstlerisch von den andern Ländern. Hie und da erinnert ein heimisches Motiv daran, daß das Bild nicht in Paris oder München gemalt ist. Dänemark und Norwegen lassen einen »nordisch« kühl. Schweden stellt neben gesunden, doch etwas spießerigtrockenen Porträts eine Kollektion der zarten, fast wie dekorative Ornamente wirkende Landschaften von Gustav Ad. Fjaestad aus. Dr.OcorgUtl.
München. In der Galerie Heinemann findet zurzeit eine größere Ausstellung von plastischen Werken des Bildhauers Glicenstein-Rom statt. /.
Im Hamburger Kunstverein wurden die seit Ein
tritt des Hofrat Brodersen in die Geschäftsleitung auf