Die fünf großen Figuren sollen eigenhändige Arbeiten des Meisters sein, die Reliefs und das übrige Werkstattarbeit. Entstanden soll er nach den drei Tauberaltären, um 1505 bis 1510, sein.
Dagegen nimmt nun in der gleichen Zeitschrift (Heft 6 u. 7, S. 376ff.) Professor Philipp M. Halm-München eine völlig ablehnende Stellung ein. Der methodische Fehler beruhe vor allem darin, daß Ubell nicht Originalwerke Riemenschneiders, sondern die Charakteristik Tönnies zum Vergleich herbeigezogen habe. Riemenschneiders Gestalten seien zarter, weicher, feiner organisiert, der Kefermarkter Meister sei ein kräftigerer, männlicherer und robusterer Künstler. Faltenstil und Gesichtstypen seien wesentlich anders, Komposition und Reliefstil völlig verschieden und die Nichtfassung keineswegs stichhaltig. Die Entstehungszeit sei auch früher zu setzen, nämlich ins letzte Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts, also wohl um 1495, wie es überliefert sei; dafür sprächen auch kostümlichwaffengeschichtliche Anhaltspunkte. Genau wird auch dargelegt, daß der allgemeine Aufbau des Altars spezifisch alpenländisch sei. Auch der robuste, kräftige Menschenschlag, der gar nichts von dem Träumerischen Riemenschneiders an sich habe, ordne den Altar in den Pacherkreis ein. Verstärkt würde dies Argument noch dadurch, daß er als Konkurrenzwerk zum Altar in St. Wolfgang geschaffen wurde. Offenbar sei er für Fassung bestimmt gewesen. Wäre diese ausgeführt worden, so stünde er direkt neben Pachers Meisterschöpfung.
Im Anschluß daran gibt Ubell eine Erwiderung (a. o. o. S. 394ff.). Eine nähere Darlegung wolle er in einer größeren Publikation bringen. Aber um 1500 habe außer Riemenschneider und Veit Stoß niemand eine derartige Virtuosität des Schnitzmessers erreicht, wie sie am Kefermarkter Altar zu sehen sei. Die Nichtfassung und schnitztechnische Gründe sprächen doch für Riemenschneider. Die andere Faltenbehandlung könnte in der Entwicklung Riemenschneiders liegen. Doch halte er es im Anschluß an einen Aufsatz Lübbekes (Frankfurter Ztg: Nr. 77 vom 18. März 1913) für möglich, daß auch Kräfte aus der Schule Veit Stoß’ in die Werkstätte Riemenschneiders kamen, wodurch die Wandlung des Stils erklärlich wäre.
Inzwischen ist noch eine andere Ansicht aufgetaucht. Franz Heege schreibt in den »Christlichen Kunstblättern« Linz, 54. Jahrg. (1913) Nr. 6, S. 61 ff. das Werk Veit Stoß zu! Die Derbheit der Figuren, Haar, Bart, Handbildung und Gewandung bringen ihn zu dieser Ansicht. Auch allgemeine Gründe, wie die Herbheit der männlichen Gestalten und die Weichheit der weiblichen Figuren sollen dafür sprechen! »Ein vernünftiger Zweifel ist kaum mehr möglich, daß Veit Stoß der Meister des Kefermarkter Altars ist.«
Die Ansichten von Ubell und Heege sind wohl kaum zu halten. Beide machen vor allem den methodischen Fehler, daß sie glauben, bedeutende Werke der Spätgotik nur den zwei bekanntesten Meistern dieser Zeit zuschreiben zu dürfen. Aber was wissen wir eigentlich des Genaueren von den Holzschnitzmeistern des ausgehenden 15. Jahrhunderts? Wer nur einmal mit Archivalien dieser Zeit zu tun hatte, wird wissen, welch unglaubliche Menge von Schnitzern selbst über kleine Städtchen zerstreut waren. Und sollte in den weiten österreichischen Landen, wo so viel gearbeitet wurde, gar kein bedeutender Mann gesessen
haben? Riemenschneider war außerhalb seines Landes unbekannt. Er scheidet vollständig aus. Veit Stoß könnte eher noch in Betracht kommen. Aber da muß noch etwas anderes in Rechnung gezogen werden, was Ubell wie Heege übersahen: die künstlerische Persönlichkeit. Dem Altar fehlt sowohl die sensibele Nervosität Riemenschneiders wie die dramatische Wucht Veit Stoß’. Keiner von den beiden kann ihn geschaffen haben. Auch die sehr vage Hypothese, von Herübernahme von Werkstattkräften Veit Stoß’ in Riemenschneiders Diensten ist ganz hinfällig, da wir genügend viele datierte Werke des letzteren aus den verschiedensten Zeiten haben, um zu wissen, daß dies niemals der Fall war, ebenso daß Riemenschneider eine ganz bestimmte, folgerichtige, sehr langsame und niemals sprunghafte Fortentwicklung nahm. Der Kefermarkter Altar muß aus dem alpenländisch-österreichischem Kunstkreis erklärt werden, wie dies Halm sehr gut begründet hat; und sollte eine intensive, auch archivalische Forschung in diesem Gebiete nochmals bessere und sichere Resultate bringen, dann können wir erst die Frage anschneiden, ob gewisse allgemeine Ähnlichkeiten nur zeitgeschichtliche Stilübereinstimmungen sind oder ob vielleicht doch der eine oder der andere Faden zu den fränkischen Werkstätten hinüberleitet. Das erstere wird aber das Wahrscheinlichere sein.
Dr. Georg Uli.
VERMISCHTES
X Die Übertragung des neuen Berliner Opernhauses an den Stadtbaurat Ludwig Hoffmann ist nunmehr beschlossene Sache.
Posen. In Anwesenheit des Kaiserpaares fand am 26. August die Einweihung der Schloßkapelle statt, deren reicher Mosaikenschmuck in Anlehnung an die Capelia Palatina in Palermo nach Entwürfen von Prof. Oetken durch die Firma Puhl & Wagner ausgeführt wurde. Am 27. folgte die Einweihung des in dreijähriger Arbeit restaurierten Rathauses. Der historische Bau mit der dreistöckigen Loggia des Giovanni Battista di Quadro wurde unter gewissenhafter Anlehnung an den alten Bestand in Mauerwerk und Skulpturen fast völlig erneuert und unter Zugrundelegung der alten Quaderung von Kutschmann in Sgraffitotechnik bemalt. Die gesamten Kosten der Herstellung, deren Leitung nach dem Tode des Stadlbaurats Trübner in den Händen des Regierungsbaumeisters Bettenstaed lag, belaufen sich auf 800000 M. — In den gleichen Tagen wurde der von Professer Felderhoff ausgeführte Brunnen, dessen Becken von der Wandfigur eines brandenburgischen Dragoners überragt wird, der Öffentlichkeit übergeben.
Der französische Staat hat seinen Besitz an kunstgeschichtlich interessanten Bauten wieder um eine Nummer bereichert. Der Kunstsammler Fenaille hat dem Staate das Renaissanceschloß Montal im Departement Lot geschenkt, zugleich mit einer Summe von 100000 Franken für die Unterhaltung. Im Jahre 1903 ist der künstlerische Inhalt dieses Schlosses versteigert worden. Einige damals von den Museen des Staates, dem Louvre und dem Musee des Arts decoratifs erworbenen Stücke sollen jetzt wieder nach Montal gebracht und dieses Schloß überhaupt, so weit wie möglich mit einer vollständigen Einrichtung aus der Zeit seiner Errichtung versehen werden. Montal soll also wie Azay-le-Rideau und andere Schlösser an der Loire ein Museum der französischen Renaissancekunst werden.
Inhalt: Die italienische archäologische Tätigkeit in dem neuerworbenen afrikanischen Gebiet. — Denkmal für Ernst v. Wildenbruch; Denkmäler im Schloß zu Versailles. — Ausstellungen in Berlin, Bregenz, Stade. — A. Bertram, Hildesheims kostbarste Kunstschätze. — Das Märkische Museum in Berlin; Zuschüsse der französ. Museen. — Kunsthistor. Institut in Florenz; Kunstwissenschaftliche Gesellschaft in München.— Eine Zeichnung von Jan Lys; Ein neuentdecktes Altarwerk Riemenschneiders? — Vermischtes.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstraße 11a
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig
Dagegen nimmt nun in der gleichen Zeitschrift (Heft 6 u. 7, S. 376ff.) Professor Philipp M. Halm-München eine völlig ablehnende Stellung ein. Der methodische Fehler beruhe vor allem darin, daß Ubell nicht Originalwerke Riemenschneiders, sondern die Charakteristik Tönnies zum Vergleich herbeigezogen habe. Riemenschneiders Gestalten seien zarter, weicher, feiner organisiert, der Kefermarkter Meister sei ein kräftigerer, männlicherer und robusterer Künstler. Faltenstil und Gesichtstypen seien wesentlich anders, Komposition und Reliefstil völlig verschieden und die Nichtfassung keineswegs stichhaltig. Die Entstehungszeit sei auch früher zu setzen, nämlich ins letzte Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts, also wohl um 1495, wie es überliefert sei; dafür sprächen auch kostümlichwaffengeschichtliche Anhaltspunkte. Genau wird auch dargelegt, daß der allgemeine Aufbau des Altars spezifisch alpenländisch sei. Auch der robuste, kräftige Menschenschlag, der gar nichts von dem Träumerischen Riemenschneiders an sich habe, ordne den Altar in den Pacherkreis ein. Verstärkt würde dies Argument noch dadurch, daß er als Konkurrenzwerk zum Altar in St. Wolfgang geschaffen wurde. Offenbar sei er für Fassung bestimmt gewesen. Wäre diese ausgeführt worden, so stünde er direkt neben Pachers Meisterschöpfung.
Im Anschluß daran gibt Ubell eine Erwiderung (a. o. o. S. 394ff.). Eine nähere Darlegung wolle er in einer größeren Publikation bringen. Aber um 1500 habe außer Riemenschneider und Veit Stoß niemand eine derartige Virtuosität des Schnitzmessers erreicht, wie sie am Kefermarkter Altar zu sehen sei. Die Nichtfassung und schnitztechnische Gründe sprächen doch für Riemenschneider. Die andere Faltenbehandlung könnte in der Entwicklung Riemenschneiders liegen. Doch halte er es im Anschluß an einen Aufsatz Lübbekes (Frankfurter Ztg: Nr. 77 vom 18. März 1913) für möglich, daß auch Kräfte aus der Schule Veit Stoß’ in die Werkstätte Riemenschneiders kamen, wodurch die Wandlung des Stils erklärlich wäre.
Inzwischen ist noch eine andere Ansicht aufgetaucht. Franz Heege schreibt in den »Christlichen Kunstblättern« Linz, 54. Jahrg. (1913) Nr. 6, S. 61 ff. das Werk Veit Stoß zu! Die Derbheit der Figuren, Haar, Bart, Handbildung und Gewandung bringen ihn zu dieser Ansicht. Auch allgemeine Gründe, wie die Herbheit der männlichen Gestalten und die Weichheit der weiblichen Figuren sollen dafür sprechen! »Ein vernünftiger Zweifel ist kaum mehr möglich, daß Veit Stoß der Meister des Kefermarkter Altars ist.«
Die Ansichten von Ubell und Heege sind wohl kaum zu halten. Beide machen vor allem den methodischen Fehler, daß sie glauben, bedeutende Werke der Spätgotik nur den zwei bekanntesten Meistern dieser Zeit zuschreiben zu dürfen. Aber was wissen wir eigentlich des Genaueren von den Holzschnitzmeistern des ausgehenden 15. Jahrhunderts? Wer nur einmal mit Archivalien dieser Zeit zu tun hatte, wird wissen, welch unglaubliche Menge von Schnitzern selbst über kleine Städtchen zerstreut waren. Und sollte in den weiten österreichischen Landen, wo so viel gearbeitet wurde, gar kein bedeutender Mann gesessen
haben? Riemenschneider war außerhalb seines Landes unbekannt. Er scheidet vollständig aus. Veit Stoß könnte eher noch in Betracht kommen. Aber da muß noch etwas anderes in Rechnung gezogen werden, was Ubell wie Heege übersahen: die künstlerische Persönlichkeit. Dem Altar fehlt sowohl die sensibele Nervosität Riemenschneiders wie die dramatische Wucht Veit Stoß’. Keiner von den beiden kann ihn geschaffen haben. Auch die sehr vage Hypothese, von Herübernahme von Werkstattkräften Veit Stoß’ in Riemenschneiders Diensten ist ganz hinfällig, da wir genügend viele datierte Werke des letzteren aus den verschiedensten Zeiten haben, um zu wissen, daß dies niemals der Fall war, ebenso daß Riemenschneider eine ganz bestimmte, folgerichtige, sehr langsame und niemals sprunghafte Fortentwicklung nahm. Der Kefermarkter Altar muß aus dem alpenländisch-österreichischem Kunstkreis erklärt werden, wie dies Halm sehr gut begründet hat; und sollte eine intensive, auch archivalische Forschung in diesem Gebiete nochmals bessere und sichere Resultate bringen, dann können wir erst die Frage anschneiden, ob gewisse allgemeine Ähnlichkeiten nur zeitgeschichtliche Stilübereinstimmungen sind oder ob vielleicht doch der eine oder der andere Faden zu den fränkischen Werkstätten hinüberleitet. Das erstere wird aber das Wahrscheinlichere sein.
Dr. Georg Uli.
VERMISCHTES
X Die Übertragung des neuen Berliner Opernhauses an den Stadtbaurat Ludwig Hoffmann ist nunmehr beschlossene Sache.
Posen. In Anwesenheit des Kaiserpaares fand am 26. August die Einweihung der Schloßkapelle statt, deren reicher Mosaikenschmuck in Anlehnung an die Capelia Palatina in Palermo nach Entwürfen von Prof. Oetken durch die Firma Puhl & Wagner ausgeführt wurde. Am 27. folgte die Einweihung des in dreijähriger Arbeit restaurierten Rathauses. Der historische Bau mit der dreistöckigen Loggia des Giovanni Battista di Quadro wurde unter gewissenhafter Anlehnung an den alten Bestand in Mauerwerk und Skulpturen fast völlig erneuert und unter Zugrundelegung der alten Quaderung von Kutschmann in Sgraffitotechnik bemalt. Die gesamten Kosten der Herstellung, deren Leitung nach dem Tode des Stadlbaurats Trübner in den Händen des Regierungsbaumeisters Bettenstaed lag, belaufen sich auf 800000 M. — In den gleichen Tagen wurde der von Professer Felderhoff ausgeführte Brunnen, dessen Becken von der Wandfigur eines brandenburgischen Dragoners überragt wird, der Öffentlichkeit übergeben.
Der französische Staat hat seinen Besitz an kunstgeschichtlich interessanten Bauten wieder um eine Nummer bereichert. Der Kunstsammler Fenaille hat dem Staate das Renaissanceschloß Montal im Departement Lot geschenkt, zugleich mit einer Summe von 100000 Franken für die Unterhaltung. Im Jahre 1903 ist der künstlerische Inhalt dieses Schlosses versteigert worden. Einige damals von den Museen des Staates, dem Louvre und dem Musee des Arts decoratifs erworbenen Stücke sollen jetzt wieder nach Montal gebracht und dieses Schloß überhaupt, so weit wie möglich mit einer vollständigen Einrichtung aus der Zeit seiner Errichtung versehen werden. Montal soll also wie Azay-le-Rideau und andere Schlösser an der Loire ein Museum der französischen Renaissancekunst werden.
Inhalt: Die italienische archäologische Tätigkeit in dem neuerworbenen afrikanischen Gebiet. — Denkmal für Ernst v. Wildenbruch; Denkmäler im Schloß zu Versailles. — Ausstellungen in Berlin, Bregenz, Stade. — A. Bertram, Hildesheims kostbarste Kunstschätze. — Das Märkische Museum in Berlin; Zuschüsse der französ. Museen. — Kunsthistor. Institut in Florenz; Kunstwissenschaftliche Gesellschaft in München.— Eine Zeichnung von Jan Lys; Ein neuentdecktes Altarwerk Riemenschneiders? — Vermischtes.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E. A. Seemann, Leipzig, Hospitalstraße 11a
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h., Leipzig