Bald uber hochleitenden Pfaden weg, bald unter weissblithendem Buschicht durch gleiten die Band- schleifen der Madchen, lustige Wimpel. Und Herr Aloysius folgt ihnen unverdrossen. Wo der Pfad niederspringt und Nussbdume mit schwellem Ge- wipfel auf den Fluss schatten, bietet eine Kloster- wirthschaft Rast im Griinen. Hier will die frohe Schaar den Sonntag in Lust begehen. Und die jungen Stimmen fliegen zu den Zellen der frommen Frauen hintiber und verfangen sich in den Ranken, womit der Friihling blinde Scheiben umblitht. Ein loser Bursch ist auf einen Tisch gestiegen, stésst dreimal derb mit dem Stocke auf und heischt mit wiirdigem Munde und lachenden Augen Stille. Und dann verkiindet er, da sich einer ihrer guten Bruderschaft nicht eingestellt habe, so mache sich das Bediirfniss geltend und dringe darauf, dass eine iiberzaéhlige Jungfer an den Mann _ gebracht werde, und dafiir schlug er den Weg der 6ffent- lichen Versteigerung vor. Ein jedes Parlein kénne durch Mitbieten dieser bésen Welt beweisen, dass es heuer nichts im Schilde fihre, was mehr als vier Augen scheue und sich das verlassene Frauen- zimmerlein hinzu erwerben. Da es indess nirgends Brauch sei, dass der ausbietende Beamte mithalte, und er nicht der Mann sei, eine gute, alte Sitte aus krasser Eigenniitzigkeit umzustossen, so wolle er fiir seine Person und sein Paar kein Vorrecht in An- spruch nehmen. Worauf ein schmuckes Madchen mit einem kecken Satze zu ihm auf den Tisch sprang, ihn mit seinem eigenen Spazierstecken hinunter- trieb und lachend betheuerte, es wolle, weil tiber- zahlig, nicht als Spielverderberin gelten und sich fiir eines Einzelnen Unthat am ganzen Geschlechte richen. Denn zu zweien seien sich Mannlein und Weiblein gerade genug, um trotz allem Trubel ein Paradiesgirtlein einzuhegen — ein Drittes kénne da nur iiber das Gatter lugen. Wenn es schon iiberzihlig sei, so wolle es wenigstens zu eins tber- zahlig sein, und sich umthun — vielleicht lese es unterwegs einen Hagestolzen auf, der einsam dahin- zottele. ,,Samuel erscheine! schloss die Uebermith- ige und schwang den Stecken. Der Herr Geometer aber stand unweit am Hof- thor des Wirthshauses und sein Haupt leuchtete aus wirrem Bartgestriippe wie ein Distelkopf zu dem lustigen Volke heriiber. Und ehe sich der Sdumende dessen versah, hatten sie ihn eingefangen und zum Hiiter und Gesellen der Verlassenen bestellt. Und so ward dem Herrn Geometer eine Sonntags- bescheerung. Ein schénes Madchen hing an seinem Arm und braune Augen lachten ihm in’s vertrocknete Herz. Wohlige Schauer rieselten ihm itiber den Riicken und ihm deuchte, so miisse einem Schmetter- linge fiber dem Auskriechen zu Muthe sein. Noch halb in der hisslichen Hiille, fiihlt er doch schon die Das Liebesspiel Von Victor Hardung. Der Herr Geometer Aloysius Plazidus Hafeli stand am Fenster und schaute in die leuchtende Welt, wo der Mai mit weichen Netzen umging, Jung- herrn und Jungfriulein zu kapern und ein Parlein nach dem anderen in siissen Banden zappeln zu lassen. Eine hell gewandete Schaar zog des Weges, und der Herr Geometer sah ihr nach, wie sie gleich einem Schwarme von bunten Schmetterlingen dahinfalterte. Und ihm, der doch an diesem Sonn- tagmorgen die gewohnte und geschitzte Musse hatte, sich auf die“drei Fleisch und drei Gemiis zu freuen, die es heute an Stelle der werktiglichen zwei gab, kam7ein anderer, vergessener Duft in die Nase. Als junger Bursch hatte er den Tanz gar geliebt, aber diese seine Liebe vor dem gestrengen Herrn Erzeuger7geheim halten miissen. Dennoch war ihm der Alte immer wieder auf die verbotenen Spriinge gekommen, und endlich wurden allabendlich die Sonntagshosen des Jungen unter” besondere Obhut genommen. Tanzbeine aber wollen ihre Bewegung. Und so stahl sich denn der Bursch nachstens in den abgeschabten und durchgerutschten Alltaglichen fort und walzte darin in gar klein und zierlich be- messenen Kreisen, um die langen Schésse des Einsegnungsfrackes nicht aufzustéren, die denn auch treulich iiber der Stitte der Verwiistung wachten. { Den Herrn Geometer meistert die Erinnerung. Hat ihn etwa wer gefragt, woher er die Gewohnheit so kleiner Schrittlein habe? Eine Réthe geht tiber sein verwittertes Gesicht und bleibt an der Nasen- spitze hangen, gleich dem Abendschein an einem Bergzinken. Und eine fremde Demuth beugt sein hagestolzes Gemitth. Ihm ist, als thue sich ein verstecktes Thiirlein auf, als schreite er durch einen kiithlen, dimmer- igen Gang zu einem heimlichen Winkel, _wo_eine schéne Jungfer hause. Und vor der miisse er sich neigen und ihf Lacheln heischen. Der Herr Geometer schnalzt und macht ein Maulchen, als wolle sich ein Igel in Rosen walzen. Und dann rafft er den Hut vom Schrankbord und stolpert mit seinen langen Beinen feldein, den Schmetterlingen nach. Der Frihlingswind tandelt mit dem Lachen, das er von rosigen Madchenlippen gepfliickt hat, fiigt es zu einem silbernen Glocken- spiel und lasst das unserem Aloysius Plazidus unter der Nase erklingen. Und wo ein Jauchzen auf- flattert, schwebt es fiir eine Weile im Blauen, sinkt dann vor ihm nieder und bettet sich mit gurren- dem Nachhali in die weiche Stille. Auch in Aloysii verstaubtes Herz hat der Mai den goldenen Schliissel gesteckt und mécht ein Kiammerlein erschliessen zu artiger Kurzweil. = Gez. v. J. Berchtold. 217