JUGEND
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		» Was! Heiraten wollt ihr?“ schreit der Vetter zurtick.
,Jetzt hab’ ich gemeint, ihr hattet schon lange geheiratet!

»Das wohl, das wohl. Ei freilich, geheiratet wohl. Aber
auch schon lang’ wieder gestorben. Weil ich das erstemal
eine Alte hab’ derwischt. Diesmal probir ich’s mit einer
Jungen. Gelt, jetzt schaut der Herr Vetter!“

Dieser guckt dem Alten in das runzlige Gesicht und frigt:
»Wie steht’s mit der Gesundheit ?“

»Vergelts Gott. Soweit passabel,“ anwortet der Graderer.
»Und schlecht hat’s bei mir Keine. Misst’ wohl liigen, wenn
ich that sagen, dass es Eine bei mir schiecht hatt’. Alles
kann sie haben, was ihr Herz verlangt. Wenn ich Eine ein-
mal gern’ hab’, da lass’ ich mich nicht spotten, ich! — Also,
was sagt der Herr Vetter dazu P“

Der Vetter sagt: ,,Thut Ihr gern Geschichten lesen? Ja?
Nun also, dann nehmt einmal dieses Biichel mit.“ Er zieht
aus der Tischlade ein braunes Bandchen hervor, thut ein
wenig mit demselben um und steckt es dem Grdderer in den
Rocksack. ,,So. Unterwegs auf der Heimfahrt zum Zeitvertreib.“

»schén Dank. Und des Heiratens wegen?“ — Sagt der
Vetter: ,,Ist schon recht. In solchen Sachen red’ ich nichts drein.“

Gut ists. Und auf der Heimreise, wie der Griderer so
hiibsch bequem im Wagen sitzt und iiber die schiéne Zeit
nachdenkt, die jetzt anriicken soll, greift er um die Tabacks-
pfeife in den Sack und ertappt das braune Biichlein. An einer
bestimmten Stelle ist ein erklecklich grosses Eselsohr ein-
gebogen, und da steht gerade die Geschichte: ,Wie aus einem
Paar Socken der Schafer ist worden‘

Ein spassiger Titel. Wird wieder einmal was Sauberes
sein; hat lauter so Sachen, der Vetter. Die Brillen heraus.
Werden wir’s halt sehen. — Und also stand’s geschrieben: —
Ehem4nner allesammt, kommt zu mir, ich will euch etwas sagen.
Will euch ein gutes Beispiel zeigen, wie ihr Euch zu verhalten
habt gegen Euere Ehegesponsinen. Will euch erzahlen
	vom Paul Pinggelbaum, so wie der musst Шг’$
machen, so ist’s recht, so haben es die Weiber gerne.
Héret zu mit Fleiss und Aufmerksamkeit.

Der Paul hat ein junges feines Weibsen gehabt.
Sie ist etwas jiinger gewesen.als er, wofiir Niemand
verantwortlich gemacht werden kann, sie hat. .das
rechtzeitige Aufdieweltkommen versdumt um sechs-
undzwanzig Jahre, sonst kénnte sie genau so alt sein
als er. Und der Paul hat sein junges Trauderl ganz
unmdglich lieb gehabt. Und natiirlich sie thn auch —
ganz unmdglich lieb. Denn weil er ihr jedesmal, so
oft er vom Dorf oder vom Stédtlein heimgekommen,
etwas mitgebracht hat, etwas Schénes, oder etwas
Gutes, oder beides nebeneinander. Sie hat es gar
holdselig angenommen und stets gesagt: ,,Brav bist,
* Paul! —-So- und jetzt kannst schon wieder gehen.“

Und dass die Sach’ in guter Ordnung vorgebracht
wird: Einmal geht der Paul auf-den Jahrmarkt und
bringt dem Weiblein — weil der kalte Winter schon
- tiber-die Berge pfeift— ein paar wollene Socken-heim.

Entziickt ruft die Trauderl: ,,Aber nein! Aber so
schéne Socken! Und diese Wolle! Diese bliihweisse
Wolle! Brav bist, Paul! Aber sag’ mir doch, wo be-
-kommt man denn so eine wunderschéne Wolle? Da-
von méchtich gleich ein paar Pfund haben zu Hand-
schuhen, zu einem Unterjéppel, zu einem. Nacht-
hiubel. Mein liebes Mannerl warst wohl, wenn. Du
mir mehr solche Wolle thatst bringen.“

» Werden halt trachten“, sagt der Paul. Dann geht
er nachfragen bei der alten Strickerin, der er die
Socken abgekauft, woher sie die Woll’ bezieht? Die
nimmt sie beim Kaufmann. Er frigt beim Kaufmann.
Der hat sie vom Juden. Er geht zum Juden, und
. der sagt es nicht, wo man die schéne wohlfeile

Wolle kriegt. Drei Tage lang geht der Paul umher,

da erfahrt er schier zufallig denselbigen Schafstall,

wo gerade wieder das weisse Schiflein .geschoren

wird. Gleich kauft er die Wolle und eilt damit
voller Freuden heim zu séiner Trauderl.

»Herr Jesselas!“ ruft sie aus, die Liebste, die Herzige,
»eine solche Wolle! Wie druderlweich und wie seidenfein!
Das gibt ein Strickzeug! Brav bist, Paul! Aber was hab ich
dann, wenn diese Wolle verstrickt istP Und die Socken wieder
hin sind! Oder glaubst, die werden’s alleweil halten? Ja,
pfeifen werden sie was! Und meinst, dass ich nachher mein
Lebtag in den alten Hadernfetzen umzaschen soll? Dodel, Du
alter! Geh sei so gut und heb’ einmal Deinen alten Knochen-
schragen und schau, dass Du das Schaf heimbringst mit der
Schur, und nit alleweil alles nur halb machen. Hast gehért?“

»lst schon recht, Trauderl“, sagt der Paul, ,,sei nur gut,
Schatzerl, ich will Dir auch das weisse Schaflein bringen.“

Schiebt sein Geldbeutlein in den Sack und geht, um das
schéne feinwollige Schaf zu kaufen. — Was ihm nicht ein-
fallt? wird er angeschnauzt, die beste Gattung verkauft man
nicht. — Aber wenn er sie zwiefach zahit! meint der Paul.
— Solle schauen, dass er weiterkommt, heisst es, die besten
Schafe verkauft man nicht. — Weiterkommen! Gesagt ist es
leicht. Wohin soll er denn gehen, der PaulP Heim zum
lieben TrauderlP Wer’s wagt. Er nicht. Sie hat Kochléffel
und Feuerzangen und Tépfe und Wasserkiibel in der Kiiche,
alte Schuhe und den Stiefelknecht in der Stube; das alles
und was sonst noch da ist in einem ordentlichen Haushalt,
schickt sie ihm an den Kopf oder auf den Riicken, wenn er
ohne Schiflein heimkommt. — Den ganzen Tag schleift der
Paul im Walde umher, im schénen griinen Walde! Was nur die
Leute dran haben! Lauter kellerkalter Schatten iiberall. Die
Aeste kratzen, im Gestriipp lauert der Fuchs, auf den Wipfeln
krachzt der Geier. — So irrt der Paul umher und aus der Ferne
schaut er hin auf sein Haus, wo iiber dem Schornstein still und
lieblich der blaue Rauch in die Héhe steigt. Holzapfel sucht
er im Wald, sauer sind sie, aber immer noch siisser als die
Trauderl, wenn er heimkommt ohne Schfflein.

 

mer,
	Gezeichnet von Arpad Schmidhammer.
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