Nun fangt sachte auch der Waldschatten an und macht
Geschichten. Zuerst spielt er sich auf das Diistere, dieses
auf das Dunkeln und Diammern, dieses auf die Finsterniss,
und die Finsterniss spielt sich auf die kohlrabenschwarze
Nacht. Nun, die Nacht wire das Schlimmste noch immer
nicht gewesen, in der schwarzen Nacht hatte der Paul még-
licherweise auf das weisse Schdflein vergessen. Wie er nun
aber im Moose ruht und anfangen will zu schlafen, da fangt
die hautfalsche Finsterniss an und wird wieder licht. Zuerst
flimmert sie ein wenig, nachher steigt hinter den Bergen schwer
und massig ein ganzes Gericht Gottes auf. Wetterleuchten,
blitzen — murren, donnern, krachen. schnalzen — trépfeln,
schniirlen, giessen, hageln. Auch das Lifterl wird streber: Die
Zweiglein faicheln, die Aeste rauschen und schlagen aufeinander
wie Gassenbuben, die Wipfel pfeifen, die Stimme brechen. Der
arme Paul schauert und wimmert und denkt: Unangenehm ist
es, aber fiir das liebe Weib leidet man alles gern.

Nun steht er auf einmal vor einer Hiitte. Daneben der
Schafstall mit dem weissen Schiflein. Auch gut, denkt sich
der Paul, nass bin ich ohnehin schon, jetzt stehle ich das
Schaflein. Das Gewitter ist so gut und macht Larm, dass
man des Thieres meckernden Hilferuf nicht hért und so
macht sich’s. — Waschnass bis auf die Haut und zerschlagen
bis auf die Knochen, so kommt er am Morgen mit dem
Schiflein heim zu seinem Weib. — Nun das hatte man sehen
miissen. Dieses Gethu mit dem lieben Vieh! Gehalst und ge-
kiisst ttber und fiber — dem armen Paul, die Zahne haben ihm
gewissert, aber deren nur drei, mehr hat er nicht im Munde.

Und wie er so am Bettstaffel lehnt, fahrt ihn die Trauderl
an: ,, Was stehst denn Du noch da? Gehst denn Du heut’ wieder
nicht schlafen P Ich denk, Zeit war’s dazu um fiinfi in der Friih!
Diese Nachtfuchtlerei ist mir zuwider bis auf den Tod. Morgen
wenn es zum Arbeiten ist, wirst wieder stinkfaul sein. Und wie
das Fletz ausschaut, Du heilige Sankt Katharina! Fadelt nur
grad so hinab, das Wasser, von Deinen Gewandfetzen! Mar
und Josef, so ein altes Mannsbild!*

Er bleibt noch stehen, streichelt den Bettstaffel und sagt:
»Trauderl, liebstes! Ein gutes Wértel, wenn Du mir wolltest
sagen! Eins hatt? ich heut’ wohl verdient.“

yso!l* sagt das Weib. ,,So! sagt sie.

»ES ist eine ungute Nacht gewest, Traudel!«

»yAh, da schau man her!“ lacht sie auf, ,das ist nicht
schlecht. Des Schifleins wegen meinst Du wohl! Weil Du
mir das Vieh hast gebracht! Alter Tepp, Du! Wenn Dir Dein
Gehirn nicht schon ganz herausgeronnen war bei der Nase,
so kénntest Du Dirs wohl denken, dass Eins mit dem Schaf-
lein allein nichts anzufangen weiss. Oder verstehst etwan Du
umzugehen damit? Du schon gewiss nicht, Du! Soll ich es jetzt
verderben lassen, das arme Thier? Hab’ ich Zeit, dass ich dabei
steh’ und es fiittere und pflegeP Was hilft mir das Schaf, wenn
ich keinen Schafer hab? Warst Du ein Ehemann, wie sich’s
gehért, so braéchtest mir auch den Schafer mit, anstatt dass
Du jetzt dastehst wie das Kind beim Scherben!*

»Aber Traudel, liebestes !“

wich bitt’ Dich, lass’ mich in Ruh!“

Der Paul steht da, kratzt sich hinter den Ohren und
sagt: ,,Jetzt bin ich bés auf Dich, Du schlimmes Trauderl, Du!“

»Dummes Eselein, Du! sagt auf einmal das Weibchen und
versetzt ihm einen Klatsch an die Wange. Dieser Klatsch — er
thut schier ein wenig bremseln, aber es ist ein Liebestascherl
gewest! Denkt sich der Paul: o meine Trauderl, die liebeste...

Und am andern Tage — noch kaum ausgeschlafen hat er,
der brave Paul, geht er hinaus in den Gau. Er ist verzagt und
hochgemuth zugleich. Er sucht zum Schiflein das Zugehdr.

Und jetzt hat er Glick — er begegnet dem Schafer. Der
ist ein junger, fester Kerl, geht in seinem stramm gespannten
Beinkleid langsam daher und sagt, er suche ein Schaf. Ein
weisses Schaf hatte er verloren.

Das ist eine wahre Schickung, denkt sich der brave Paul und
sagt: ,,.Du, Schdferbua! Das Schaf, das Du suchst, das weiss ich.
Geh mit mir, ich fihr’ Dich, es geschieht Dir nichts. Kannst
verbleiben bei mir, wenn Du willst, es wird Dir nichts fehlen.“
	JUGEND
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		So gehen sie allzweibeide miteinand. Der Paul hat eine
narrische Freud’, dass er seiner Traudel, der liebesten, den
Wunsch kann erfiillen. Weil sie halt gar so viel herzig ist! —
Sie kommen an’s Haus, da sieht der Schafer die Trauderl.
Er schaut sie an — sie ihn. Haben sich lang angeschaut
und gesagt haben sie nichts.

»Du Schafer!“ sagt der Paul und deutet auf das Schaf,
das im G§rtlein munter graset, ,da ist es.“

Die beiden schauen sich immer noch an. Als ob sich
die Augen in einander verhackelt hitten, so stehen sie da.
Und jetzt wird dem Paul auf einmal angst und bang.

»ochifer!“ sagt er, ,siehst es denn nicht! Das weisse
Schaf!“ Und wie das Thier jetzt bléckt, da hért es der Bursch
und ruft aus: ,,Da ist es ja! Das ist mir gestohlen worden!
Wer hat denn das gethan?“

„Оег da! sagt die Trauderl und zeigt mit beiden Zeige-
fingern auf den Paul.

„Сие 155!“ sagt der Schifer. ,,Die Diebe muss man
einsperren lassen!“ Eine Stunde drauf ist der Landsknecht
da, der packt den Paul, schliesst ihm die Hinde zusammen
mit einem eisernen Kettlein und treibt ihn davon.

Da hebt die Trauderl, die liebeste, das Schiirzlein auf
bis zu den Augen und klagt: ,.Meinen Alten treiben sie fort.
Wen werde ich jetzt haben?“ Und thut weinen.

Tritt ihr der Schafer um einen Schritt ndher und schaut
sie wieder an. Und sie thut bitterlich weinen. Da tritt er
noch ndher, zwickt sie am Kinn, nimmt sie um den Hals,
da thut sie schon ein klein Bissele lachen. — Sehet und so
— so ist aus einem Paar Socken der Schafer worden...

~  Namlich diese Geschichte hat der alte Graderer, der
Briutigam gelesen. Darauf hin guckt er eine Weile so etwas
unsicher vor sich hin, trommelt mit dem Finger auf das
Fensterglas und murmelt endlich: ,Ist doch ein vertrackter
Schelm, der Herr Vetter.“ —

Vier Wochen spiater, als Vater Griderer mit seinem jungen
Weibchen die Ringe tauscht, schreibt ihm der Vetter: ,,Gra-
tuliere zum heiligen Ehestand, welcher das Alter ehrt, indem
er die grauen Hadupter — krént.“
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