Uber seine weiteren Arbeiten und Absichten hat Oeh. Baurat a. D. Temper in einer Sitzung des Sächsischen Ingenieur- und Architektenvereins gesprochen. Seine Vorschläge gingen dahin, die Fundamente der Westtürme des Meissner Domes nicht zu unterfahren, sondern beiderseits seitlich unter sie bis auf den Felsen hinab schräg gestellte Betonmauern als Stützen zu errichten. Unter den Fundamenten liegt nämlich erst eine etwa 4,5 Meter hohe Schicht presshaften Bodens, so dass jene schrägen Stützmauern etwa fünf Meter hoch werden dürften. Gegen diese Ansichten und Absichten Temper’s erhoben drei hervorragende Techniker entschiedenen Widerspruch, und zwar ging dieser Widerspruch hauptsächlich von zwei Erwägungen aus, erstens, dass die Ansätze der schrägen Stützmauern leicht abscheren würden, und zweitens, dass durch die Mauern eine Art Sprengwerk erzeugt, der untere Teil der Fundamente also auf seitlichen Druck in Anspruch genommen werde. Ob das alte Mauerwerk diesem Drucke gewachsen sei, scheine zum mindesten nicht unzweifelhaft. Jedenfalls ergiebt sich aus dieser sachverständigen Verurteilung der statischen Berechnungen des Geh. Baurats a. D. Temper mit Sicherheit: die Wirkung der von ihm beabsichtigten (oder schon begonnenen?) Arbeiten an der Westschauseite des Meissner Domes ist ins Ungewisse gestellt und wissenschaftlich nicht sicher zu begründen. Jeder, der den Meissner Dom wirklich erhalten will — und das ist ja doch die Hauptaufgabe des Dombauvereins — muss derartige Eingriffe in den alten Dom geradezu als einen Frevel bezeichnen. Jedenfalls ist der jetzige Zustand der Fundamente so lange völlig ausreichend, als man den Turm nicht durch Aufbauten belastet, somit würden sich die von Temper vorgeschlagenen gefährlichen Experimente erst dann nötig machen, wenn man solche Aufbauten errichtet. Die wichtigste Frage liess denn auch Herr Geh. Baurat Temper unerörtert: Ist es bei dem jetzigen Zustande der Fundamente rätlich, neue Aufbauten aufzuführen und damit neue statische Momente wirksam zu machen? Da aber der Vorstand des Meissner Dombauvereins bekanntlich fest entschlossen ist, Türme zu bauen, so ersieht man, welche Gefahr dem Bestand des Meissner Domes droht. Es ist übrigens bezeichnend, dass von einem Vorstandsmitgliede des Dombauvereins in der Sitzung des sächsischen Ingenieur- und Architektenvereins der Antrag gestellt wurde, es solle über die Vorgänge in der Versammlung Stillschweigen beobachtet werden. Heisst das zum Besten des Domes arbeiten wollen? Hat der Vorstand des Dombauvereins Grund, eine sachverständige Kritik seiner Arbeiten der Öffentlichkeit vorzuenthalten ? Anders kann man jenen Antrag wahrlich nicht auslegen. Man darf nun wirklich gespannt sein, wie lange noch die königlich sächsische Regierung dem Vorgehen des Meissner Dombauvereinsvorstands, der mit dem Dom wie mit seinem Privateigentum schaltet, thatenlos zuschauen wird.
Man fragt sich vor allem, warum nicht die königlich sächsische Kommission zur Erhaltung der Kunstdenkmäler eingreift. Die Sache ist einfach: diese Kommission ist keine Behörde, sondern hat nur Gutachten abzugeben, und dies auch nur in dem Falle, dass Entwürfe vorliegen, über die eben ein Gutachten abgegeben werden kann. Da aber Oberbaurat Schäfer die von der Regierung geforderten umgearbeiteten Entwürfe für den Turmbau noch nicht eingeliefert hat, so muss die königlich sächsische Kommisson zur Erhaltung der Kunstdenkmäler ruhig zusehen, wie man am Grundbau des Meissner Doms herumarbeitet und die Ausführung der noch nicht genehmigten Zukunftspläne vorbereitet. Sie hat übrigens auch gar keine Macht, ihren Gutachten Geltung zu verschaffen, sondern muss es sich gefallen lassen, selbst in wichtigen Fällen nur für die
Akten zu arbeiten. Man braucht sich also nicht zuviel davon zu versprechen, wenn der Kommission wirklich der Plan für die Arbeiten am Meissner Dom vorgelegt wäre oder würde. — Wir können endlich noch berichten, dass wieder ein Mitglied aus dem Vorstand des Meissner Dombauvereins ausgetreten ist, nämlich Herr General der Infanterie z. D. von Raab, Exc. Er hat offenbar damit ausgedrückt, dass auch er nicht einverstanden ist mit dem Vorgehen der Mehrheit des Dombauvereinsvorstandes, wie ja auch der königlich sächsische Altertumsverein, dessen erster Vorsitzender von Raab ist, erklärt hat, er erachte die Erhaltung des Domes für wichtiger als den Bau von Türmen. Vor Exc. von Raab sind schon zwei Mitglieder aus dem Vorstand ausgetreten: Archivar Professor Dr. Richter und Hofrat Professor Dr. Gurlitt. 2Ü
Venedig. Im Anschluss an meinen letzten Bericht aus Venedig füge ich bei, dass die Regierungskommission, welche berufen war, den Zustand der Reste des Campanile auf die Verantwortlichkeit hin zu untersuchen, um darnach ein Strafurteil abzugeben, ihre Arbeit beendigt hat, und nach Rom zurückgekehrt, dieses Verdikt ahgeben wird.
Es wird von Interesse sein, welche Summen für die eben jetzt im Zuge befindlichen Restaurationen der Monumentalbauten ausgesetzt sind.
Für den Palazzo Ducale 140000 Lire, für SS. Giovanni e Paolo ebensoviel, 120000 Lire für die Frarikirche, 40000 Lire für S. Zaccaria. Bei S. Maria della Salute sind die Fenster zu erneuern, und die kleinere Kuppel für 60000 Lire zu rekonstruieren. S. Giorgio Maggiore verlangt 18000 Lire. S. Maria Materdomini 15000 Lire. Die Kuppel von S. Maria dei Miracoli erheischt 12000 Lire. Die Scalzikirche für Dachreparaturen 18000 Lire. S. Francesco della Vigna 45000 Lire. Die Kathedrale von Forcello, für ihren Campanile 20000 Lire.
Fast alle diese Gebäude haben vor ca. 30 Jahren nicht geringe Summen verschlungen, ganz vom Dogenpalast zu schweigen und von der Markuskirche, welche beide seit 24 Jahren kolossale Summen kosten. August Wolf.
WETTBEWERBE
Der Gemeinderat von Venedig eröffnet einen Wettbewerb zwischen den ausländischen und italienischen Künstlern für das Modell einer grossen goldenen Medaille, welche als Preis den hervorragendsten Werken in der internationalen Kunstausstellung des Jahres 1903 verliehen werden soll, und setzt zu diesem Zwecke für den Autor desjenigen Modells, das der Ausführung würdig erachtet wird, einen Preis von 3000 Lire aus. Letzter Termin für die Einsendung der Arbeiten 31. Januar 1903. Die näheren Bestimmungen sind vom Ufficio di Segretaria dell’ Exposizione Municipio di Venezia zu erfahren.
DENKMÄLER
Ein Grabmal für Charles Beaudelaire ist dieser Tage auf dem Friedhofe Montparnasse in Paris enthüllt worden; geschaffen hat es der junge Bildhauer José de Charmoy.
SAMMLUNGEN UND AUSSTELLUNGEN
Abendbeleuchtung im Berliner Kunstgewerbemuseum. Der Gedanke, unsere öffentlichen Kunstsammlungen auch in den Stunden »nach des Tages Last und Mühen« zugänglich zu machen, hat viel Verlockendes für sich, und so treibt eine Gruppe tüchtiger Kunstschriftsteller, deren Bestrebungen für die Kunsterziehung — wie die beliebte sprachliche Missgeburt lautet—schon mancherlei
Man fragt sich vor allem, warum nicht die königlich sächsische Kommission zur Erhaltung der Kunstdenkmäler eingreift. Die Sache ist einfach: diese Kommission ist keine Behörde, sondern hat nur Gutachten abzugeben, und dies auch nur in dem Falle, dass Entwürfe vorliegen, über die eben ein Gutachten abgegeben werden kann. Da aber Oberbaurat Schäfer die von der Regierung geforderten umgearbeiteten Entwürfe für den Turmbau noch nicht eingeliefert hat, so muss die königlich sächsische Kommisson zur Erhaltung der Kunstdenkmäler ruhig zusehen, wie man am Grundbau des Meissner Doms herumarbeitet und die Ausführung der noch nicht genehmigten Zukunftspläne vorbereitet. Sie hat übrigens auch gar keine Macht, ihren Gutachten Geltung zu verschaffen, sondern muss es sich gefallen lassen, selbst in wichtigen Fällen nur für die
Akten zu arbeiten. Man braucht sich also nicht zuviel davon zu versprechen, wenn der Kommission wirklich der Plan für die Arbeiten am Meissner Dom vorgelegt wäre oder würde. — Wir können endlich noch berichten, dass wieder ein Mitglied aus dem Vorstand des Meissner Dombauvereins ausgetreten ist, nämlich Herr General der Infanterie z. D. von Raab, Exc. Er hat offenbar damit ausgedrückt, dass auch er nicht einverstanden ist mit dem Vorgehen der Mehrheit des Dombauvereinsvorstandes, wie ja auch der königlich sächsische Altertumsverein, dessen erster Vorsitzender von Raab ist, erklärt hat, er erachte die Erhaltung des Domes für wichtiger als den Bau von Türmen. Vor Exc. von Raab sind schon zwei Mitglieder aus dem Vorstand ausgetreten: Archivar Professor Dr. Richter und Hofrat Professor Dr. Gurlitt. 2Ü
Venedig. Im Anschluss an meinen letzten Bericht aus Venedig füge ich bei, dass die Regierungskommission, welche berufen war, den Zustand der Reste des Campanile auf die Verantwortlichkeit hin zu untersuchen, um darnach ein Strafurteil abzugeben, ihre Arbeit beendigt hat, und nach Rom zurückgekehrt, dieses Verdikt ahgeben wird.
Es wird von Interesse sein, welche Summen für die eben jetzt im Zuge befindlichen Restaurationen der Monumentalbauten ausgesetzt sind.
Für den Palazzo Ducale 140000 Lire, für SS. Giovanni e Paolo ebensoviel, 120000 Lire für die Frarikirche, 40000 Lire für S. Zaccaria. Bei S. Maria della Salute sind die Fenster zu erneuern, und die kleinere Kuppel für 60000 Lire zu rekonstruieren. S. Giorgio Maggiore verlangt 18000 Lire. S. Maria Materdomini 15000 Lire. Die Kuppel von S. Maria dei Miracoli erheischt 12000 Lire. Die Scalzikirche für Dachreparaturen 18000 Lire. S. Francesco della Vigna 45000 Lire. Die Kathedrale von Forcello, für ihren Campanile 20000 Lire.
Fast alle diese Gebäude haben vor ca. 30 Jahren nicht geringe Summen verschlungen, ganz vom Dogenpalast zu schweigen und von der Markuskirche, welche beide seit 24 Jahren kolossale Summen kosten. August Wolf.
WETTBEWERBE
Der Gemeinderat von Venedig eröffnet einen Wettbewerb zwischen den ausländischen und italienischen Künstlern für das Modell einer grossen goldenen Medaille, welche als Preis den hervorragendsten Werken in der internationalen Kunstausstellung des Jahres 1903 verliehen werden soll, und setzt zu diesem Zwecke für den Autor desjenigen Modells, das der Ausführung würdig erachtet wird, einen Preis von 3000 Lire aus. Letzter Termin für die Einsendung der Arbeiten 31. Januar 1903. Die näheren Bestimmungen sind vom Ufficio di Segretaria dell’ Exposizione Municipio di Venezia zu erfahren.
DENKMÄLER
Ein Grabmal für Charles Beaudelaire ist dieser Tage auf dem Friedhofe Montparnasse in Paris enthüllt worden; geschaffen hat es der junge Bildhauer José de Charmoy.
SAMMLUNGEN UND AUSSTELLUNGEN
Abendbeleuchtung im Berliner Kunstgewerbemuseum. Der Gedanke, unsere öffentlichen Kunstsammlungen auch in den Stunden »nach des Tages Last und Mühen« zugänglich zu machen, hat viel Verlockendes für sich, und so treibt eine Gruppe tüchtiger Kunstschriftsteller, deren Bestrebungen für die Kunsterziehung — wie die beliebte sprachliche Missgeburt lautet—schon mancherlei